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SKRIFTER UTGIVNA AV INSTITUTET FÖR RÄTTSHISTORISK FORSKNING GRUNDAT AV GUSTAV OCH CARIN OLIN SERIEN I RÄTTSHISTORISKT BIBLIOTEK FEMTE BANDET 'r. I )| ^ am•-.wsi-.Äty. A.-B. NORDISKA BOKHANDELN, STOCKHOLM I DISTRIBUTION

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SKRIFTER UTGIVNA AV INSTITUTET FÖR RÄTTSIIISTORISK FORSKNING GRUNDAT AV GUSTAV OCH CARIN OLIN

SKRIFTER UTGIVNA AV INSTITUTET FÖR RÄTTSHI STORI S K FORSKNING GRUNDAT AV GUSTAV OCH CARIN OLIN SKRIKX I • • RATTSHISTOHISKT BIBLIOTEK FEMTH BANDET i A.-R. NORDISKA BOKHANDELN, STOCKHOLM I DISTRIBUTION

DIE KLAGE GEGEN DEN TOTEN IM NORDGERMANISCHEN RECHT vox PE R- E1) W / X LLÉX A.-li. NORDISKA ROKHANDELN, STOCKHOLM I DISTRIRLTION

L I' N D HÅKAN OHLSSONS H O K T H Y C K E » I 19 5 8

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort Einleitung a. Unifang und Grenzcn des Theinas 1). Disposition, Methode iind Absicht der Unlcrsiichiing . . c. Die Prinzij)ien fiir die Darslellung des Quellcnniaterials ;> 7 11 22 Teil 1. DBERSICIIT PEER DIE RESTIMMUNGEN DER MITTELALTERLICIIEN GESETZE SKANDINAVIENS REZEGLICII DEU KLAGE GEGEN DEN TOTEN Kap. 1. Norwegisches Reehl . . Kaj). 2. Sehwedisches Recht . . Ka]). d. Dänisehes Recht . . Kaj). 1. Isläiidisches Recht . . a. Die Quellen .... h. Die Graugans . . . c. Die isländischen Sagas Kap. 5. Zusamnienfassung der Ergehnisse der Kapitel 1—1 löö 27 (51 87 117 117 123 143 Teil II. DIE KLAGE GEGEN DEN TOTEN Kap. t). Die Einleitiing des Verfahrens a. Die Totschlagsverkiindigung h. Die Terminologie des Klageverfahrens . . . . 1(54 . 177 163 163 c. Die Vorladung d. Die Initiative ziir Einleitung des Verfahrens 178 e. Die Zuständigkeitsfrage 183 Die Parteien a. Die Anwesenheit des Toten h. Die Stellung der Parteien c. Der genetische Ziisainmenhang zwischen den verschiedenen Typen des Prozesses gegen den Toten Kap. 7. 189 189 194 . 211 Das Beweisverfahren a. Die Beweismittel b. Das Beweisrecht c. Das Problem der Ilandhaftigkeit Kap. 8. . 214 214 235 243 3

Kap. 9. Das Urteil a. Die faktische Bedeutiing der Verurteilung des Toten b. Der Zeitpunkt fiir den Eintritt der Unheiligkeit bzw. Busslosigkeit c. Das Urteil iiber den Totschläger Kap. 10. Die Klage gegen den Toten als .\usdruck des (llaubens an das rechtliche Fortleben des Toten . . a. Die Lehre voin rechtlichen Fortleben des Toten bei den Germanen iin allgenieinen b. Das rechtliche Fortleben des Toten im nordgernianischen Becht Quellen- iind Literatiirverzeichnis Abkiirzungen Index locoriun 246 246 269 295 300 3(X) 312 326 338 340 Die auf dem banltand uint Titell>lalt at>gel)ildete Medaille zeigt da.s Bild von Jolian .Stiernliöök. .Sic ist iin Jahre 1837 von der .Scbwedisehen .\kadeinie geprägt nnd von C. M. Mellgren graviert worden. 4

VORWORT Mi'in erslt'r Lehrer in der Rechlsgeschichto ist Prof. Ivar Sjögren gewesen, aiif dessen Anregiing hin ich ineine Studien in diesem Faehgebiel begonnen babe. Naeh dem Tode von Prof. Sjögren wurde Prof, (ierhard Haf.striiin mein Lehrer. Unter .seiner inspirierenden Leitung ist die vorliegende Arbeit zustandegekommen. Mit grossem Wohlwollen und steter liereitwilligkeit hat Prof. Hafström wis.senschaftlielie Probleine init inir erörtert. Him möchte icb daher meinen wiirmsten Dank aussprechen. W’jihrend der Arbeit an dieser Abhandlung babe ich an Prof. Karl Olivecronas Lizentiaten-Seminaren teilgenommen. Fiir die wissensehaftliehe Sehnlimg. die ieli in diesen Seminaren erhielt, .sowie fiir den Gedankenaustaiisch, der mir (ielegenheit gab, die verschiedenen Problenu' meiner Abhandliing mit ihm zu besprechen, liin ieh ihm grossen Dank sclnddig. Prof. Ragnar Hemmer, Helsingfors, hat sich der Miihe iinterzogen, grosse Teile der vorliegenden Abhandhmg im Manuskript durehzusehen und liat im Zusammenliang damit eine fur mieh höchst wertvolle Kritik geiibt. Ferner babe ich Dozent (iiiran Rystad zu danken, der gleichfalls das Manuskript durchgelesen hat und mir in jeder Hinsicht behilflich gewesen ist. Reziiglich des volkskundlichen Materials, das meine Abhandlung enthiilt, verdanke ich wichtige Aspekte und Literaturhinweise Frau fil. mag. Lizzie Carlsson. Mit den Professoren Stig luul, Kopenhagen, und Knut Robberstad, Oslo, hatte ich (ielegenheit, bestimmte Probleme nieiner Ahhandhmg, die das diinische, bzw. norwegische Recht betreffen, zu diskutieren. Audi ihnen gegeniiber stehe ich in grosser Dankesschuld. Die philologische Uberiirufung der vier ersten Kapitel hat fil. mag. Tomas .lohansson, Lund, vorgenoinmen. Er hat iiiir auch durch zahlreiche Literaturhinweise sehr wertvolle Hilfe geleistet. Ferner verdanke ich iliiii die Fbersetzung einiger in der Rechtsliteratur bis5

her noch nicht iibersetzter isländischer uiid norwegischer Gesetzestexte. Die schwierige Aufgabe der tlbersetzung ins Deutsche ist Ausnahme von Kap. 8, a nnd c, iind Kap. 10 —von ineinem Freund leol. lie., Dr. Gottfried Hornig, Lund, durchgefiihrt worden. Die Kapitel 8, a und c, und 10 hat Prof. Karl Wiilirer, Wien, iibersetzt. Heideii Ubersetzern danke ich aufs herzlichste fiir ihre muhevolle Arbeit. Vor allein drängt es inich. Prof. Wiihrer dafiir zu danken. dass er trotz grosser Arbeitsbelastnng mir stets init helfender Hand zur Seite gestanden hat. Die Aufstellung des Literaturverzeichnisses verdanke ich Frl. fil. kand. Bodil Steen. Hiusichtlich der Prinzipien fiir das Literaturverzeichnis hat inir teol. lie. Eric Starfelt wertvolle Ratschliige erteilt. Beim Korrekturlesen sind mir fil. mag. Jan Frederiksen, Frau Verena Hornig. Dozen! Ola Lindqvist, fil. lie. Bertil Romberg und jur. lie. Gunvor Wallin behilflich gewesen. Jur. stud. Per Falk hat die Freundlichkeit gehabt. das Register dieser .\bhandlung zusammeiizustellen. Ich danke ihnen alien aufs herzlichste. Das Zustandekommen dieser Abhandlung ware ohne die finanzielle Hilfe folgender Institutionen nicht möglich gewesen: »Harry .\xelson lohnsons fond för rättsvetenskaplig forskning*. »Statens .samhälls- och rättsvetenskapliga forskningsråd*, »Institutet för rättshistorisk forskning grundat av Gustav och Carin Olin*. »Emil Heijnes Stiftelse för rättsvetenskaplig forskning*, und »Juel-Westrupska stipendiefonden* in Lund. Alien diesen Institutionen bin ich zu Dank verpflichtet. Lund, im März 1958. mit Per-Edwin Wallén ()

EINLEITUNG a. Umfang und Grenzen des Themas Die Klage gegen den Toten ist in der rechlsgesehichtiichen Literafnr zwar ot't erwälint, aber Aveit sellener aiisfiihrlich l)ehandelt worden. Die einzige ansl'iihrliche Darslellnng, die l)isher vorliegt, isl die von Sclierer iin Jahre 1909 i)ul)lizierle Arbeit »Die Klage gegen den loten Mann«. Andere Antoren, die sich init der gennanischen Rechlsgescbicbte bel’a^ist liaben, gel)en iil)er die Klage gegen den 'roten mir sebr scheinatische nnd kurzgehaltene Aid'scliliisse. Siicbt man die Klage gegen den Toten zu definieren, nnd ibre (diarakleristika anziigeben, so slösst man auf gewisse Schwierigkeilen. da dicse Klage in der Liferatur weithin als eine diirchaus bekannte Erscheinung betraclitet imd gerade deshalb nicht <lefinierl wird. In den Gesetzen, in denen die Klage gegen den Toten vorkomml, findet sich keine Definition derselben. Es muss sogar bezweifelt werden, ob die Gesetze jene Fälle, die in der recbtsgeschichtlicben Lileratiir unter dem Begriff der Klage gegen den Toten zusammengefasst werden, als einen besonderen Prozesstypiis betrachten. Um einen Ausgangspiinkt zu gewinnen, muss man also zuniiclist einmal festzustellen versuchen, was in der Literatur mit der Klage gegen den Toten gemeint ist. Es zeigt sich hierbei, dass mit der Klage gegen den Toten ein Prozess gemeint ist, bei dem die eine Partei am Leben, die andere dagegen tot ist. Der Lebende fiihrt die Klage gegen den Toten, weil er ihn bei der Ausfuhrung eines Verbrechens ertappt und dabei erschlagen hat. Das Ziel dieser Klage ist, ein Urteil zu erreichen, demzid'olge fiir den Erschlagenen kein Wergeld bezahlt zu werden braucht, oder —anders ausgedriickt —demzufolge der Totschlag straflos ist.^ Gberpriift man diese Definition ‘ ^’gl. Scherers Definition auf S. Gl f.: ». .. die Klage gegen den lolen Mann:

an (len Quellen, so ergeben sich jedoch gewisse Schwierigkeiten. Zwar erwiihnen die Quelleii eine Anzahl Fälle, in denen sicb ein Prozess oder jedenfalls ein prozessähnliches Verl'ahren zwischen einem Lebenden nnd einein Toten abspielt, doch können, wenn man von der ol)en gegebenen Definition ansgeht, keineswegs alle diese Fälle als Fälle der Klage gegen den Toten betrachtet werden. Ebensowenig lässt sich in den Quellen eine spezielle, exklusive Terininologie bei denjenigen Fällen feststellen, bei denen man es der Definition zufolge mit einem Fall der Klage gegen den Toten zii tnn hat. Der Ansdruck (jiva döpiim sak, den das schwedische Recbt verwendet. um die Klage gegen den Toten zn bezeicbnen, wird in den scliwediscben Gesetzen mehrfach aucb dann verwandt, wenn es sich nicht um eine Klage gegen den Toten im Sinne der Definition handelt. Ebensowenig stellt der isländiscbe Ansdruck stcfna til oliehji einen Terminus dar, der lediglich anf die Klage gegen den Toten bescbränkt wäre. Vielniehr bedient man sich dieses Ausdrncks anch zur Bezeichnnng einer Klage, die gegen einen Lebenden gericbtet wird. Alle Gesetzesabscbnitte, die der Definition zufolge einen Fall der iingeachtet der Klage gegen den Toten scbildern, besitzen jedoch — Tatsache, dass die Terminologie der Gesetze variiert sames Kennzeicben; Der angeklagte Tote soil, wenn er iiberfiibrt wird, zum Verlnst seines Wergeldes vernrteilt werden. Obgleich man also bei einer Untersnchung zii der Feststellung gelangt, dass die Gesetze weder in terminologischer noch in materieller Hinsicht eine spezielle Klage gegen den Toten des oben definierten Typus zn kennen scheinen, ist es docb ans wissenschaftlicben Gesicbtspunkten praktiscb iind frnchtbar, einen derai l igen speziellen Prozesstypns aufzustellen imd näher zn untersuchen. Es handelt sich also iim eine em gememUntersnchung des Prozesstypns, der zur Anwendung gelangt, wenn eine Person ans irgendeinem Anlass — z. B. weil sie glanbte, das Recht zur Selbstrache oder Notwehr zn besitzen •—■ von der Verantwortung fiir den begangenen Totschlag befreit werden will. Eine Untersnchung iiber die Klage gegen den Toten gestaltet sich somit zn einer Untersnchung iiber die prozessnale Gestalt, die das Recbt Der Totsehläger musste gefjen den vnn ilini Ersctdagenen Kla^c erlieben wegen des Verbrecliens, auf Grund dessen er ihn angeblich erschlagcn hatte.« Vgl. ferner Scherer. S. 179. 8

zur Selbstrache uiid zur Notvvehr in den ältesten nordischen Gesetzen l)esessen hat. Wenn also iin I'olgenden von der Klage gegen den Toten gesproclien wird, so sind dainit die soeben genannten Fälle geineint, d. h. der Terminus wird in dem Sinne verwandt, den er bisher in der Recbtsliteralnr gehal)t bat. In der deutsc-hen Rechtslileratur verwendet man gewöhnlich den Terminus »die Klage gegen den tolen Mann«. Der weniger gebriiuchliche Ausdruck »die Klage gegen den Toten« ist jedoch vorzuziehen, da er die Terminologie der nordischen Quellen richtiger wiedergibt. Der Regrifl »Klage« ist freilich in diesem Zusamnienhang nicht ganz zutrelTend, da im isländischen Recht eine vor Zeugen abgegebene private Unheiligkeitserkliirung des Toten vorkommt, welche die gleictie rechtliche Wirkung besitzt wie eine Verurteilung des Toten, die in einem förmlichen Prozess ausgesprochen wird. Aus diesem (irunde ware der Terminus »das Verfahren gegen den Toten« wohl der beste. Da indessen der Regriff »Klage« in deni bier vorliegenden Zusammenbang einen fest verankerten Platz in der Rechtsliteratur besitzl, ist er aucb in der vorliegenden Arbeit beibehalten worden. Scherer hat in seiner Arbeit nachzuweisen versucht, dass die Klage gegen den Toten eine gemeingermanische Erscheinung ist.* Er bat in iiberzeugender Weise dargelegt, dass ein solches Klageverfahren nicht nur in den nordischen Rechtsquellen, sondern auch in den siidgermanischen, sowohl in den ältesten Gesetzen, den Wilksrechten, als auch in den grossen Kodifikationen des dreizehnlen .Tahrhunderts, dem Sacbsenspiegel und dem Schwabenspiegel und den gleichzeitigen deutschen Stadtrechlen. sowie auch in den angelsachsischen Gesetzen vorgekoinmen ist. Da es sich also um eine allgemeingermanische Erscheinung handelt, miisste sich die Darstellung der Klage gegen den Toten eigentlich auf das ge.samte Material der germanischen Rechtscpiellen griinden. Die folgende Darstellung beschränkt sich indessen auf das Material der nordischen Quellen. Diese Beschränkung lässt sicb in erster Linie damit motivieren, dass die nordischen Quellen in gewisser Weise den Schliissel zn den iibrigen germanischen Quellen darstellen. Die Bestimmungen der siidgermanischen Volksrecbte sind nämlich so kurzgefasst und so schwierig zu interpretieren. dass zn ihrem A'erstandnis ein Vergleich mit den - .Scherer. S. 17‘trf. 9

Regeln des nordischen Rechtes iiber die Klage gegeii den Toten erforderlich ist.^ Die nordischen Bestimmungen sind infolgedessen in dieser Hinsicht von grösster Bedeiitnng fiir das Vei*ständnis der verschiedenen Qnellenabschnitte des aiissernordischen Rechtes. Demgemäss muss einer korrekten Interpretation der nordischen Quellen imd einer darauf anfliauenden Darstellung der nordischen Klage gegen den Toten grundlegende Bedeiitnng heigemessen werden. Scherers Arbeit hesitzt zwar unleugbare Verdiensle, aher der Teil, der die nordischen Quellen behandelt, ist nicht nur unvollständig. sondern an verschiedenen entscheidenden Punkten auch falsch. Es ist deshalh erforderlich, die nordischen Quellen aufs neue zu unlersuchen. Erst wenn es gelungen ist, ein korrektes Bild von der Klage gegen den Toten und ihrer Entwicklung im nordischen Recht zu gewinnen, ist es sinnvoll, einen Vergleich mit dem siidgermanischeu Recht anzustelien. Natiirlich hedeutet die Begrenzung der Untersuchung auf die nordischen Quellen auch eine enlsprechende Begrenzung des Biides, das hier von der Klage gegen den Toten gegeben wird. Es sei nochmals ausdriicklich hetont, dass wir im folgenden lediglich die nordische und nicht die gemeingermanische Klage gegen den Toten schildern. Dass die Ergehnisse, zu denen wir auf Grund des nordischen Quellenmaterials gelangen, nicht ohne weiteres auch fiir <lie aussernordische Klage gegen den Toten gelten, ist selbstverständlich. Denn trotz der prinzipiellen Obereinstimmung, die im gesamten gennanischen Rechtshereich hinsichtlich der Klage gegen den Toten besteht, miissen sich natiirlich hinsichtlich der Formen des Prozesses viele Unterschiede finden, ganz abgesehen davon, dass die verschiedenen Quellen ans verschiedenen Zeiten stammen und daher zwangsläufig von den verschiedenen Stadien der Entwicklung der Klage gegen <len Toten Zeugnis ahlegen. Die Darstellung der Klage gegen den Toten erfährt jedoch nicht nur hinsichtlich des Quellenmaterials eine Beschränknng. Eine Reihe * So Scherer, S. 62: »Den Ausgangspunkt fiir unsere Darslellung werden die nordgernianischen Rechte bilden, da sie trotz ihrer späteren Aufzeichnung an Urspriinglichkeit in vieler Beziehung noch auf demselben Standpunkt wie die siidgermanischen Volksrechte stehen, diese aber durch Reichhaltigkeit des Inhalts und Klarheit des Ausdrucks weit iiberragen. Von hier aus scheint es uns leichter inöglich, Licht in den wortkargen Gesetzesstil der Volksrechte zu bringen .. .« 10

von Fragen, die bei der Darstellung der Klage gegeii deii Toteii ganz von selbst aid'taucben, vverden in der vorliegenden Untersucbung nicbt behandelt. Um welcbe Fragen es sich bierl)ei bandelt und wariiin aiif sie nicht näher eingegangen wird, ergibt sich ans der folgenden Ubersicbt iibor die Disposition, Methode iind Absicht unserer Untersuclning. 1). Disposition, Methode und Absicht der Untersuchung Die voiiiegende Untersuchung zerfiillt in zwei Teile. Der erste Teil ist der Durchsicht des Quellenmateriais gewidmet. Hierbei werden siimtliche Gesetzesabschnitte des norwegischen (Kap. 1), dcs schwedischen (Kap. 2), des dänischen (Kap. 3) und des isliindischen Rechtes (Kap. 4) dargestellt, in denen entweder die Klage gegen den Toten ausdriicklich erwähnt wird, oder die prozessuelie Besliinmungen enthalten, die es sehr wahrscheinlich machen, dass die beIreffenden Gesetzesal)scbnitte auf die Klage gegen den Toten al)- zielen, obgleich dies in ihnen nicht direkt ausgesagt wird. Jene Quellenal)schnitte, die geniäss der vorgenominenen Untersuchung die Klage gegen den Toten betreften, werden danach in Tabellenform dargestellt (Kap. 5). Bei der Durchsicht der Quelleuabscbnitte, die fiir unsere Untersuclumg Relevanz besitzen, werden wir aucb die bierbei entstehenden lextkritiscben Probleine behandeln und die liilerpretationsfragen diskutieren, die durch die betreffenden Geselzesabschnitte gestellt werden. Unsere Al)sicbt ist es also, das Quelleninaterial, auf das sich die folgende Schilderung der Formen der Klage gegen den Toten griindet, in seiner Gesamtheit darzustellen imd nach Bedarf zu kommentieren. Die Gesetzestexte, welche die Grundlage fiir die Darstellung der vorliegenden Arbeit bilden, liegen ausnahmslos bereits im Druck vor. Es könnle daber als iiberfliissig erscheinen, bier die verschiedenen Quellenbelege aid's neue und in ihrer Gesamtheit abzudrucken. Man kimnte den Einwand erheben, dass ein Verweis auf die verschiedenen Quellenpublikationen durcbaus geniigen wiirde. Da jedocb die nordischen Gesetze iiber so viele und bisweilen scbwer zugiinglicbe Quellenpidilikationen verstreut sind, muss es scbon der wissenscbaftlichen Kontrolle wegen ais eine grosse Erleichterung angesehen werden, wenn sämtliche der relevanten Quelienabschnitte bier in ihrer 11

Gesamtheit abgedruckt vverdeii. Da es sich dabei um cine relativ l)egrenzte Aiizabl von Quelleiiabschnittcii handelt, kann dies obiie grössere Schwierigkeiten gescheben. l)er zweite Teil der Untersuchung soli der Schilderung des bei der Klage gegen den Toten angewandten Verfahrens gewidinet werdeii. Dabei werdeii die verschiedenen Moinente des Prozesses einleitenden Massnahinien bis ziir ^’erkundigung des Urteils — behandelt. Es ist jedoch nicht so sehr beabsichtigt, ein vollständiges Bild davon zii entwerfen, wie der Prozess gegen den Toten sich in jedein einzelnen der verschiedeiien skandinavischen Rechtssysteme vollzogen hat. Ks muss bezweifelt werden, ob ein solches Enternehinen iiberhaupt durchliihrbar ist. Statt dessen zielt iinsere Entersuchung vor allem daraiif ab, einerseits jene Kennzeichen aiitzuzeigen, die alien oder mehreren skandinavischen Rechtssysteinen gemeinsam sind, und andererseits zu untersuchen, inwiel’ern das Verfahren, das bei der Klage gegen den Toten Anwendung gefiinden hat, sich in dieser oder jener Hinsicht von deni Verfahren unterscheidet, das angewandt wurde, wenn beide Parteien noch am Leben waren. Den gleichen Weg bat Scherer eingeschlagen. Ensere Aiisfiibrungen diirt'en allerdings nicht in dem Sinne verstanden werden. als ob es möglich sei, das Bild eines fiir den gesamten Norden vollständig einheitlichen Prozesses gegen den Toten zu rekonstruieren. Das in den Kapiteln 1—4 dargelegte Material diirfte den iiberzeugenden Nachweis erbracht haben, dass die verschiedenen nordischen Rechtssysteme, besonders aber das isländische, gevvisse Eigenheiten bewahrt oder ausgebildet haben. die in den fiir die Klage gegen den Toten geltenden Bestimmungen der anderen Rechtssysteme nicbt wiederzufinden sind.* Die Ersache biertiir liegt nicht nur in dem sehr verschiedenartigen Milieu, unter dem die nordischen mittelalterlichen Gesetze entstanden sind. sondern auch in der Tatsache, dass diese Quellen einen Zeitraum von mindestens zweibundert Jahren umspannen, also einen Zeitraum, während dessen sich, wie alles andere Recht, so auch der Prozess gegen den Toten entwickelt und verändert hat."' Noch präziser kann dieser Sachverhalt von den * Zu Unrccht ninimt .Scherer, S. 179 eine weifgeheiuie rhereinstiniiming der iiorwegisclien iind isliiiidischeii Klage gegen den Toten an. ® Einer der schwerwiegendsten Eehler der von .Scherer gegehenen Dar.stellnng hestcht in. E. gerade darin, das.s er die Klage gegen den Toten als eine vollstiindig 12

(lurch (lic Fcststcllung ausgiHlriickt werdeii, class wiihrend der Geltungsdauer der Gesetze sich der Prozess gegeii den Tolen sowohl eritwickelt als aiicli allmiihlich aufgelöst hat. Zunächst werdeii die Totschlagsverkiindigiing, \\)rla(lung und andere einleitende Massnahmen hehandelt, wobei wir auch die Terniinologie untersuchen vverden, die in den Gesetzen zur Hezeichnnng der Klage gegen den Toten angewandt wird, sowie die Frage, welche Schlusslblgerungen sich aus der angewandten Terminologie ergehen (Kap. (i). In diesein Zusaininenhang werden auch die Besliininungen iiber die Zuständigkeit der (ierichte hehandelt. Anschliessend folgl eine Darstellung der Prozessparleien (Kap. 7), wobei unlersucht wird, ob der Tote als eine dein Lebenden gleichgestellte Partei aidgefasst wird und ob in dieseni Fall die Klage gegen den Toten urspriinglich ein Zwei- oder Dreiparteienprozess gewesen ist. Diese Fragestellung gibt ferner Anlass, das Problem zu behandlen, ob der Tote wäbrend des Prozesses körperlich anwesend sein musste. .Schliesslich folgt eine Darstellung des bei der Klage gegen den Toten angewandlen Beweisverfahrens (Kap. 8). Die Absicht dieses Kapitels bestebt weniger darin, eine detaillierte Darstelhing der verschiedenen Beweisinittel zu geben, die bei dem ^\'rl'ahren gegen den Toten zur Anwendung gelangten, als viehnehr darin, zu untersuchen, ob und inwietern man sich bei dem Prozess gegen den Toten einer Form der Beweistiihrung bi'diente, die bei dem Prozess gogen den lebenden Verbrecher nicht vorkam. Besondere Aufmerksamkeit soil dabei aid' die eng miteinander verbundenen Fragen gerichtet werden, wie in deni Prozess gegen den Toten die Beweisverteilung ert’olgte und ob dii'ser Prozess regelmässig ein Handhattverfahren war oder sein musste. Im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren soil auch die Frage diskutiert werden, ob auf Grund einer gewissen Einheitlichkeit im Beweisverfahren die Schlussfolgerung gezogen werden kann, (lass .sich die Klage gegen dcm Tolen auf ein altes urnordisches Bechl zuriickfiihren lässt. Fine Untersuchung iiber das in dem Prozess gegen den Toten gefällte Urteil gibt zu einer Reihe ausserordentlich wichtiger Fragen .\nlass. Einige derselben gehören zum Bereich des Strafrechtes, andere zum Bereich des Prozessrechtes. Die letztgenannte Gruppe von statische Erschcinuiig beliaiulclt und nicht die Tatsache beriicksiclitigt. dass diese Klage im nordisclieii Hecht verschiedeiie Ent-\vicklungsstadien durcldäiill. 18

Fragen soli im I'olgenden behandelt werdeii (Kap. 9). Als Gruiidlage wil'd der Uiitersuchung eiiie kurze Gbersicht iiber die faktische }3edeidiing eiiier Verurteilung des Toten vorausgeschickt. Damit l)eruhreii wir eiii sehr umfasseiides strafrecbtliches Problem, von dem man sagen kann, dass es noch nicht erschöpfend behandelt worden ist. nämlich das Verhältnis von Friedlosigkeit einerseits und von I'idieiligkeit bzw. Bnsslosigkeit andererseits. Das Urteil bezeicbnete den Toten, falls er verurteilt wiirde, in der Regel als iiheilayr'^ (nnheilig) Oder als ogilder~ (bnsslos). Es kann also bereits auf Grund der bei der Urteilssprechung verwandten Terminologie bezweifelt werden, dass —wie die Rechtsliteratur weithin annimmt —die Verurteilung des Toten eine Verurteilung zur Friedlosigkeit gewesen sei. Die Recbtsliteratur pflegt allerdings hierbei entweder die Friedlosigkeit mit der laiheiligkeit bzw. Busslosigkeit vollstandig zu identifizieren oder sie fasst Unheiligkeit bzw. Busslosigkeit als spezielle Formen der Friedlosigkeit auf. Dass diese beiden Auffassungen falscb sind und dass Unheiligkeit bzw. Busslosigkeit scharf von der Friedlosigkeit unterschieden werden niiissen, hat Heusler durch seine balinbrecbenden Forschungen in der Arbeit »Das Strafrecht der Isliindersagas« iiberzeugend nacbgewiesen. Später hat Baetke in iiberaus griindlicher Weise den Unterschied von Friedlosigkeit und Unheiligkeit zu fixieren versucht. Gleichwohl kann die Behandlung des Problems noch nicht als abgeschlossen gelten. Eine erscböpfende Ihitersuchung iiber das Verhältnis von Friedlosigkeit und Unheiligkeit bzw. Busslosigkeit ist allerdings eine allzn umfassende strafrechfliche Aufgabe, als dass sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit Dieses Wort ist hier in seiner normalisierten norwegischen Form wiedergegehen worden. Im folgenden wird die norwegische Selireibweise stets aiieh dann angewandt, wenn dieses Wort ganz allgemein in Beziehiing auf sowohl norwegisclies als isländisclies Recht angewandt wird. Ini Isländischen wird das Wort gewöhniieh ohcilagr gesehrieben. Dem schwedischen nnd diinischen Reeht ist dieses Wort in der Bedeutung, die fiir die vorliegende I'nlersucliung relevant ist, unliekannt. ■ Dieses Wort ist hier in seiner norinalisierten schwedisehen und diinisehen Form wiedergegeben. Im Norwegischen wird es iigildr und im Isländischen gewöhnlich ogililr geschrieben. Obwohl das Wort also auch in den wesinordischen ■Sprachen bekannt ist, ist es als Bezeichnung des Toten, dessen Tötung straflos bleibt. hauptsachlich im schwedischen und dänischen Recht beheimatet. ,\us diesem Grnnde wird das Wort im folgenden ogilder geschrieben, auch wenn es im allgemeinen. die norwegischen und isländischen Verhältnisse einschliessenden .Sinne verwandt wird. 14

j'olost werden kiinnte. Audi ist die Lösung dieser Aid'gabe keino uolwendige Voraussetzung liir die Behandliiug der prozessgesdiichtlidieu Fragen, die mit dem in dem Prozess gegen den Toten gefällten Urteil zusaminenliängen. k]s handelt sicli liier vor allem uin zwei Fragen. Die eine besleht darin, ob man —wie es in der Reditsliteratnr oft geschieht —bei deni Prozess gegen den Tolen von einem duplex judicium in dem Sinne sprechen darf, dass der Prozess regelmässig mit einer Verurteilung enlweder des Toten Oder des Totschlägers endet. Die andere Frage gilt dem Problem, ob der Tote bereits dnrch die verbrecherisc.he Handlung als solche, also ipso facto biisslos bzw. nnheilig wird Oder ob dies erst dnrch die Urteilsverkiindigiing gescbieht. Innerbalb der Reclitsliteratiir bat die Theorie von der ipso facto eintretenden Friedlosigkeit eine ausserordentlicli bedeutende Rolle gespielt nnd diese Theorie wird anch gegenwärtig noch vertrcten, wenn sie anch von einigen Rechlsbistorikern modifiziert worden ist. Da man ilavon ansging, dass die im Prozess gegen den Toten ansgesiirochene Vernrteilnng eine Vernrteilnng znr Friedlosigkeit bedentef, nnd da man annahm, dass die Friedlosigkeit ipso facto eintrat. gelangle man zn der Schlnssfolgernng, dass das Lhleil eine rein deklaralive Funktion gebabt baben miisse, d. h. die Alisicht <les Urleils sei nnr gewesen, einen bereits bestehenden Talbesland, namlich die eingelretene Friedlosigkeit. zn konstatieren nnd bekannlzngeben. Mit dieser Anffassnng werden wir nns eingebend zn bescbättigen baben, wobei jedocb beachtet werden muss, dass die in dem Prozess gegen den 'Foten ansgesprocbene \'erurteilnng keine ^'ernrteilllng znr Friedlosigkeil, sondern znr I’nbeiligkeit bzw. Bnsslosigkeit isf. Nacb einer in der dentschen Recblsliteratnr allgemein vertretenen .\nsicbt baben die Uermanen den Cdanben an ein Fortleben des Tolen besessen nnd bat dieser tllanbe anch im Bereiche des germanischen Rechls seinen Ansdrnck gefnnden. In dem letzfen Kapitel nnserer Untersnchnng werden wir die Frage behandeln, inwiefern der Prozess gegen den 'Foten mit dieser 'Fheorie iibereinslimmt (Kap. 10). Dabei wird anch anf andere Erscheinnngen des nordischen Rechts eingegangen, welche als Belege fiir die Richtigkeit der genannten 'Fheorie angefiihrt werden können. Die vorliegende Arbeit will die Frage beanlworten, anf welche Weise der Prozess gegen den 'Foten slattgefnnden hat. Die Kennt15

nis des hei dem Prozess gej'en den Toten angewandten \\'rt‘ahrens hildef die nolwendige A’orausseizung iiir die Behandlung der anderen Probleine, die mit diesem Prozess im Zusammenhang stehen. Mit ihm ist nämlich eine lieihe von sehr wichtigen Fragen verkniiptt. Die Frage. die sich hier wohl am ehesten autdrängt. laidet; welehes Ziel wurde mit dem Prozess gegen den Toten vertolgt? In der Rechtsliteratiir pHegt man. wie wir bereits erwähnt haben, diese Frage gewtihnlieh damit zii beantworten. dass es das Ziel dieses Prozesses gewesen sei, demjenigen. der einen nacb dem (lesetz (Mlanl)ten Totsehlag l)egangen batte. die Möglicbkeit zn gel)en. die Strallosigkeit des ])egangenen Totschlags teststellen zii lassen. Bisweilen wird dieser Frklärnng noch die Anf'l'assnng l)eigetngl. dass (lurch den Prozess gegen den Toten die Staatsgewalt Gelegenheit g(‘hab! babe, die Ausiibnng des ])rivaten Rache- nnd Xotwehrrechtes zu kontrollieren. In beiden Erklärnngen vertritt man die .\nsicbt. das Ziel des Prozesses gegen den ToIcmi sei die Feststellnng der Slrallosigkeit des begangenen d'otschlags gewesen, obgleich die ersle Erklärnng diese Feststellnng im Interesse des Tolscblägers. die zweite dagegen im Interesse der Gesellschalt nnd des Toten geschehen lässt. l)i(‘se beiden Erklärnngen branchen einander keineswegs ansznschliessen. Doch stellen sie beide die Frage: wenn das eigentliche Ziel des Prozesses in der soeben genannlen Feststellnng der Stråtlosigkeit bestanden hat. mnss dann nicht bei jedem Fall des stratlosen Totschlags ein Prozess gegen den 'hoten im nordischen Recht xorgekommen sein? AA'ie es sich hiermit tatsächlich verhält, ist bisher noch nicht eingehender nnlersncht worden. Es ist indessen ottensichtlich. dass die ältesten nordischen Gesetze Fiille von strariosem Totsehlag kennen. die keinen Prozess gegen den Toten znr Folge haben. AA'enn nnn der Prozess gegen den 'Foten wirklich das Ziel haben sollte. einen begangenen 'Fotschlag zn rechtfertigen. so mnss (lie Feststellnng verwnndern. dass es anch Fälle des erlanbten 'Fotschlags gal), die ol’l’ensichtlich keiner nachtriiglichen Rechtfertignng des 'Fotschlags dnreh einen Prozess bednrlten. llierdnrch werden nnn nmfassende nnd wichtige Fragen aktnalisiert. die teils mit der Gestalt des ältesten nordischen Rache- nnd Notwehrrechtes nnd teils mit dem Problem znsamnienhängen, ob die Stråte in einzelnen Fallen ohne voransgehendes oder nachträglichcs Urteil eintreten konnte. Das letztgenannte Problem ist seinerseits mit der Frage nach K)

(ler ipso facto eintreteiulen Friedlosigkeit verkniipll. Erst nachdein alle diese Prohleine einii^erinasseii hefriedigend behandelt w(^rden sind, kaiiii eiiie Elrkliirmvg dal’ur gegeheii werden, class der Prozess gegen den Toten in einzelnen Fallen nieht vorkoiunit. obwohl man ihn doeh —wegen der Absichl, die er angeblich halte —erwarlen miis.ste. Die bier skizzierten Probleme sollen, wenn niöglicb, in einer znkiinriigen Arbeit behandelt werden. ban anderes Problem, das Interesse verdient, imd das innerbalb einer Darstelliing der Klage gegen den Toten behandelt werden sollle, ist die Frage nach dem Alter dieser Erscheinnng. Dieses Problem wire! indessen in der vorliegenden Untersuchnng nicht behandelt nnd kann, wie wir nocb zeigen werden, gegenwärtig uberhanj)t niebt mit Aiissicht aid’ ein bet’riedigendes Hc\snltat behandelt werden. Bi'tracblet man die Klage gegen den Toten obne Riicksiebt ant' itire ^’erbindung mil den verschic'denen \'erbrc’^chenslypen, bei denen sie ant’tritl, so kann feslgestellt werden, dass Belege fiir sie bereits in den ältc^slen nordiseben Qiietlen (iind iibrigens aiicb in den allesten siidgermanischen Qnellen) zii linden sind. Hire Existenz kann also liir die älteste Zeit, die wir iiberbaupt quellenmiissig belegen können, konstatiert werden. Diese Fc'ststellung kann mit vollständiger (iewissheit get rot fen werden. Scherer vertritt jedocb die Aidfassiing, dass die Klage gegen den Toten noch wesentlicb alter als nnsere iiltesten Qiiellenbelege fiir sie sein mnss.'^ Scherer begriindet seine Aiiffassiing mit dem Hinweis aid' das \\)rkommen der Klage gt^gen den Toten im norwegiseben iind isliindischen Redd. Diese Talsache, so meinl Scherer, zeige, dass die Klage gegen den Toten bis aid’ eine Zeit zuriickreiche, in der sicb das norwegische nnd isländische Rechtssystem noch niebt gelrennl batten. Die gleiche Schliissfolgerimg zieht er aiis der Talsache, dass die Klage gegen den Toten einerseils im friinkischen iind angelsiichsiseben Recht nnd andererseits in den niederdeiitscben \’olksrechten vorkonnnt: Die Klage gegen den Toten muss einer Zeit entslammen, in der .sicb die Angelsachsen imd Franken von den ihnen verwandten niederdeidschen Stämmen noch nicbl gelrennt batten. Aid’ Grund der Tatsache, dass sich die Klage gegen den Toten in den so weit voneinander getremden nord- und sudgermanischen Gesetzen nacbs .Sflu'rer, .S. 179 ft'. 17 2 —Wallén

weiseii lässt. gelaiigt Scherer zu der Schliisst'olgeruiig. »dass wir es bei deni ^\'rt■ahren gegeii den Toten mit einein urspriinglich gemeingerniaiiischen Institut aus grauer Vurzeit zu tuu habeu«.'’ Es kauu jedocb die Frage geslellt werdeii, ob mau —wie Scherer es getau bat Toleu sowobl iu deu uord- ak aucb iu deu siidgermauiscbeu (iesetzeu zu t'iudeu ist, zu der Scblussfolgeriiug berecbtigt ist. dass es sicb liier uiu eiu »urspriiuglicb geiueiiigeriuauiscbes Iuslifut« liaudelt. Hier liegt eiu wicbtiges inelbudologiscbes Pr()l)leui vor, uäiulicb die Frage. iiiwiet'eru mau aus dem Wirkommeu gleicber oder weitbill iiliereiustimmeuder Recbtsregelu iu uabe verwaudleu Recbtssystemeu die Scblussfolgeruug zieheu darf, dass diese ubereiustimlueudeu Regelu aut eiu gemeiiisauies ursjiriiuglicbes Recblssystem zuriickgebeu, uud also iu ibm eiiie geiueiusame Quelle babeii. Rebi’eldt bat dieses Problem eiugebeud diskutiert.^" Er betout dabei die oft iibersebeue Möglicbkeit, dass die Eberciustimimiugeu, die zwiscbeu zwei recbtlicbeu Erscbeiuuugeu iu miteiuauder verwaudteu Recbtssyslemeu vorliegeii, iiicbt mit Notweudigkeit voraussetzeu, dass bier ein Ur-Recbtssystem als gemeiusame Quelle uud Ausgaugsjmukt der ubereiiislimmeudeu recbtlicbeu Erscbeiuimgeu vorliegeii muss. Diese t'bereiustimmuugeu kiinueu uamlicb aiich aus eiuer paralleleu Eutwicklimg erklärt werdeii. die sicb aus deu gemeiusameii Rediuguugeu ergebeu. uuter deiieii die Völker steheu. welcbe die ubereiusfimmeudeu Recbiserscbeiuuugeu bervorgebracbt babeu. Als Reispiel fiibrt Rebfeldt die Scblussfolgeruugeu au.“ die aus der Tatsache gezogeu werdeu köuuteu. dass sovvobl im skaudiiiaviscbeu als aucb im deutscbeu mittelalterlicbeu Recbt sicb die ^"eraul^vortuug der Erbeii fiir die Scbuldeu des Toteu uicbt iiber das Eigeutiim des Toteu biuaus erstreckt. Ilieraus bat mau scbliesseu wolleu, dass die gleicbe Regel iu eiuem urgermauiscbeu Recbtssyslem gegolleu babeu muss. Weiiii es sicb jedocb so verbalt, dass wäbreiid der ältesteu Zeit liei deu Germanen gar keiu iudividuelles Eigeutumsrecbt existiert hat. so kauu auch während der genaunteu Zeit besagte Regel uicbt gegolteii babeu. Die Regreuzuug der Veraulwortuug fiir die Scbuldeu des Toteu muss vou der geistigen Vorstelluug ausgeben, auf Gruud der Tatsache, dass die Klage gegeu deu ® .Scherer. S. 181. '* Helifeldt. (irenzen cl. vergl. Melhode. S. 1 ff. ” Hehfeldl. Grenzen d. vergl. .Methode, S. 10 f. 18

(lie als (las rechlliclie Foiileheii des Toteii bezeichnel zu werdeii ])llei,d. Es siiid also niclit die I^rhen, welche die \\‘rantw()rtuiig fiir die Scliuldeii des d'olen trai^en. sondeni der Tote selbsl, der mil seinein Eii'entuni die A’erantwoiiuni» trägt. Dies selzt ein individuelles Eigentunvsrecbl voraiis. In dieseiu Falle griiiidet sicb also die t'bereinstiininung des deiitscheii uiid skaiidiiiaviscben mittelalterlicbeii Redds binsiebllicb der liegrenzimg der Veranivvorliiiig I'iir die Sebulden des Toleii aid' eiiie parallele Entwickliing, die ihreii (iiund in einer sowobl bei den Nord- als auch Siidgermanen ben sebenden \’()rstellnng von einoin recldlichen Foiileben des Toten bat. Reld'eldts Räsonnenieid wirkt iiberzeiigend. Doeb selbst dann, wenn es sieb bei dem bier angefiihrten Exempel nicbt nm eine Parallelentwickliing, sondern mn eine iirsjiriinglicb gemeingermaniscbe Reeldsregel gebandell baben sollte, so liedeidet dies keinen Einwand gegen die Riddigkeil der von Reldeldt dargelegten metbodologiscben (iesicbtspnnkti'. Die gleichen (iesicldspunkte miissen aiicb bei einer I’ntersncbnng der Frage angewandt werden. ol) die Klage gegen den d'olen ein urspriinglieb gemeingermanisches Institut gewesen ist. Es liestebt die allgemeine Aid'fassimg, dass aucb die Klage gegen den d'ol(m ein Aiisdrnek I'iir die Vorstellimg von dem ri'cbtlicben Fortleben des Toten darstellt. 1st dies richtig. so ist also der gemeinsame ideologiscbe Aiisgangs[)iinkt gefiinden. von welcbem aus eine parallele b'nlwicklung der Klage gegen den d’oten im nord- imd siidgermaniscben Recbt erl'olgen konnie. Es sebeint mir daber, als ol) Scberers Scblussrolgeriing, dass es sicli bei der Klage gegen den Toll'll mn ein iirspriinglieh gemeingermanisebes Institnt liandelt, aus melhodologisehen (Iriinden nieht aut'reehlerhalten werden kann. Dieser Einwand sehliesst jedoch keineswegs die Miigiiehkeit ans. dass die Klage gegen den Toten ein sehr holies Alter besitzt. Wenn man ganz allgemein die Frage nach dem Alter der Klage gegen den 'roten slellt, so kaim diese Frage m. E. wegen ibrer allgemeinen Formnliernng nicbt ziil'riedenstellend beantwortet werden. Man muss sie in einer dit'l'erenzierteren Weise stellen, um wirklicb zn einem i'rncbtbaren Ergebnis gelangen zu können. Statt des Versiiches^ ganz allgemein das Alter der Klage gegen den 'Folen t'estzustellen. sollte man Spezialuntersucbungeu dariiber anstellen, wie alt die Klage gegen den 'roten in den verscbiedenen Fallen ist, in denen .sie aullritt, also z. R. bei Ebebrueh, Diebstahl, Rrandstil'tung, Ebrver19

letzung, Xotwehr iisw. liline solche Verfahrensweise gibt eiii weit nuancieiieres Bild vom Alter der Klage gegeii deii Toten. Zwar ist hicrbei nicht das Alter des Prozesstypus an sicli Gegenstand der Untersiichung, wohl aber die Aiiwendiing der Klage gegen den Toten in einein bestiinniten Fall. Anl‘ diese Weise lässt sich in vielen Fällen zieinlich exakt der Zeitpnnkt bestiminen, an deni die Klage gegen den Toten erstmals znr Anwendung gelangt ist, bzw. wann diese Anwendnng aufgehört hat. Fiir derartige Bestiminungen ist eine Untersiichnng dariiber erforderlich, wann das Recht zum stratlosen Toten eines Verbrechers bei verschiedenen Typen von Verbrechen aufgekommen bzw. verschwiinden ist. Der erstcre Zeitpunkt ist in verschiedenen Fällen so jnngen Datums, dass er mit Hilt'e der erhaltenen Gesetze iingefähr festgestellt werden kann. Doch eine derartige Untersnchung der Frage, wann das Recht aufgekoinmen ist, einen Verbrecher in bestiininten Fällen stral’los toten zu diirt'en, ist nnter Beriicksichtigung des gesainten skandinaviscben Qiielleninaterials noch nicht vorgenoinmen worden nnd stellt eine sehr innfassende .\nfgabe dar. Bevor diese Untersuchung nicht vorgenominen ist, lässt sich auch die von nns skizzierte Untersnehnng iiber das Alter der Klage gegen den Toten bei verschiedenen Verbrecheiistypen nicht durchfuhren. Doch verdient gerade eine solche Untersuchung, die das Alter der Klage gegen den Toten bei den verschiedenen Verbrechenstypen untersucht. das grösste Interesse. Was das Alter der Klage gegen den Toten als solche anbelangt, also ihr sozusagen absolutes Alter, so ist bereits betont worden, dass diese Klage älter als unsere Quellen ist und ihr absolutes Alter kauin init Gewissheit festgestellt werden kann. Bei der Feststellung des Zeitpuriktes, von deni an die Klage gegen den Toten zu existieren aufgehört hatte, liegt eiii etwas anderer Sachverhalt vor. Hier ist es völlig sinnlos, allgeineine Feststellungen dariiber aufzustellen zu suchen, wann die Klage gegen den Toten zu existieren aufgehört hat. Der einzig niögliche Weg besteht darin, von Fall zu Fall zu untersuchen, wann die Klage gegen den Toten bei verschiedenen Verbrechen nicht inehr zur Anwendung gelangt Oder nicht iiiehr zur Anweiidung gelangen kann. Verhältnisniässig leicht ist diese Untersuchung in den Fällen, in denen das Recht zur Selbstrache verschwunden ist. Da die eigentliche Voraussetzung fiir die Klage gegen den Toten, näinlich das Totschlagsrecht, zu existie20

ren autgeliört haf, miiss in diesen Fällen ja anch die Klage gegen den Toten zii existieren aufgehört liahen. Scliwieriger geslaltet sich die Untersnchiing, wenn — wie in den Nntwehrfällen —das Reeht zuin slratlosen Totschlag das ganze Mittelaller hindnrch Giiltigkeil behäll lind sogar inehr nnd mehr erweitert wird. Dass die Klage gegen den Toten in diesen Fällen in den Jungeren Gesetzen nichl inehr erwähnl wird, ohgleich sie in den älleren ansdriicklich genannl vvar, ist kein lieweis daliir, dass sie in der Rechtspraxis zn existieren anfgehörl hat. ICs ist theoretisch denkbar —wenn aiich wenig wahrscheinlich —, dass ein Releg fiir die Klage gegen den Toten noch in den ältesten iins erhaltenen nordischen Gerichtsprolokollen, die von dem Ende des fiinfzehnten .lahrhnnderts staininen, gefnnden vverden kann, nnd dass man mit diesen Qnellen feststellen kann, wann die Klage gegen den Toten aiitgehört hat zn existieren. Im dänischen Recht lebt beispielsweise das Recht, den anf handhafter Tat ergritfenen Ehebrecher zn töten —einer der typischen Fälle, in denen die Klage gegen den Toten znr Anvvendnng gelangt —lormell bis aiil' das Jahr 18()() fort.’' Natiirlich imiss die Klage gegen den Toten in der Rechtspraxis vveit Iriiher zn existieren aiitgehört haben. IGne Diirchsicht der ims erhaltenen dänischen Gerichtsprotokolle miiss nnter einem Asjiekt als eine iinlriichtbare Anfgabe erscheinen, da die Klage gegen den Toten wahrscheinlich bereits \'or jener Zeit zn existieren aiitgehört hat, ans der die iins erhaltenen Gerichtsprotokolle stammen. Andererseits könnte diirch eine solche Untersiicluing immerhin ein negatives Ergebnis gewonnen werden, indem man zn der Eeststellimg gelangt, dass die Klage gegen den Toten in den Gerichlsprotokollen nicht inehr exisliert. Es ist im Rahmen der vanliegenden Arbeit nicht möglich gevvesen, eine iimfassende Bearbeitnng der dänischen oder der iibrigen skandinavischen Gerichtsprotokolle aiis der ältesten Zeit vorziinehmen.^'* Ans diesem Griinde bleiben die Eragen nach dem Alter der Klage gegen den Toten nnd Das Tolsclila^srcrljt vvurdo (lurch das .Slratgesclz von ;U)8, anlgehohcii. .Scclier vvcist. Danske Lov‘, .Spalle 932 (zn (i-12-4), darauf hin. dass sich Heispiele fiir die Rechtspraxis tiinsiclitlich des Reclites, den Ehebrecher zn liiten, in den Protokollen voin 19. April 1646 nnd voin 30. .Inni 1649 der Gerichtsprotokollsaniinhin}' »Kongens og Rigens Raads l)oinme« findeii. Diese heiden .\ngahen liahen sich jedoch hei der Konlrolle als falsch erwiesen. .\n den angegelienen .Stellen werden nicht in der Gerichtsjirotokollsaininlung derartige .\ngelegenheiten hehandelt. 21

dem Zeilpiinkt, von dem au die Klage in der Rechtspraxis zn existieren authört, unbeantwortet. Auf die Frage, wann die Klage gegen den Toten in dem Sinne zn existieren aufgehört hat, dass sich iiir sie keine Relege mehr in den Ciesetzen finden, wird in der vorliegenden Arbeit geantwortet werden. c. Die Prinzipien fur die Darstellung des Quellenmaterials Hinsichtlich der Frage, in welcber Reihenlolge die nordischen Ciesetze bei einer Untersuchung iiber die Klage gegen den Toten behandelt werden sollen, können verschiedene Gesichtspnnkte geltend gemacht werden. Das Richtigsle scheint es zn sein, einer cbronologiscben Ordnung zn folgen, selbst wenn von diesenn Prinzip in mehreren Fallen abgewichen werden mnss. Auf Grund des boben Alters, das man den norwegischen Gesetzen zusehreibt, werden diese als erste behandelt. Auch innerhalb jedes nationalen Rechtsbereiches werden die Gesetze in der Regel nach ihrer zeitlichen Anteinandertolge untersncbt, obwobl in der vorliegenden Untersuchung ans verschiedenen Grunden das streng chronologische Prinzip bisweilen ausser acht gelassen werden mnss. Im Hinblick auf die Chronologic imd die enge Verwandtscbaft mit dem norwegischen Recbt ware es motiviert gewesen, im Anschluss an die norwegischen (iesetze das isländische Recbt zu bebandeln. Dass dies nicht gescheben ist, bat zwei Griinde. Elinerseils bat die Klage gegen den Toten im isländiscben Recbt eine in gewissen llinsicbten eigenartige Ausformung erbalten, wie ja iiberbaupt das isländiscbe Recbt verschiedene, von dem Recbt des skandinaviscben Festlandes abweicbende Ziige aufweist, andererseits ist das Qnellenmateiåal binsicbtlicb des isländischen Recbtes änders geartet als binsicbtlicb des norwegischen, .scbwediscben nnd däniscben Recbtes. Neben den Gesetzen (der Grangans) liegt ja das reiche Material der Sagas vor, in dem sicb - mindest teilweise zuein Recbtszustand widerspiegelt, der älter ist als derjenige Recbtszustand, den die ,\idzeicbnungen der Graugans voraussetzen. Alle diese Tatbestände können als Grund dafiir angefubrt werden, dass das Recbt des skandinaviscben Festlandes iind (las isländische Recbt jedes fiir sicb behandelt werden. Xacb den norwegischen Gesetzen werden die scbwediscben nntersucbt. wobei zunäcbst das Göta-Recbt iind danacb das Svca-Recbt o*)

l)ohandelt vvird. Im Ralmieu dor Rechtssysteme des skaudinavischeu Festlandos weiiden wir uns zuletzt dem dänischoii Rechte zii. (iegen diese Reihenlolge liesse sich eiiiwendeii, dass die dänischen Gesetze vor den sclnvedischeii behandelt zu werdeii verdienen, weil die Zeit ihrer Aiifzeichnung vor derjenigeii liegt, die fur die Mehrzahl der sehwedischen Gesetze anzusetzen ist. Indessen hal)en Kirche und Krone die dänischen (ieselze in weit höherein Grade l)eeinfliisst, als dies l)ei den ältesten scliwedisclien Geselzen der Fall ist. Die dänischen Gesetze mässen also als Ausdruck eines hereils weiler fortgeschrillenen Rechfszustandes helraehtet werden. Da ausserdein die Klage gegen den Toten aus den dänischen Gesetzen schon zur Hälfte verschwimden ist, darf es als hegrundet gelten, dass wir das dänische Recht nach dein schvvedischen hehandeln. Schliesslich wenden wir uns also deni isländischen Recht zu, wohei sich ganz naturlich cine Finleilung in zwei Ahschnifte ergiht: die Graugans und die Sagas. 23

I Ohkhsicht ubeh die bestimmungen der MITTKLALTERLICHEN GESETZE SKANDINAVIENS BEZUCiLICH DER KLAGE GEGEN DEN TOTEN

S f :

Kap. 1 NORWEGISCHES RECHT Innerhall) der nordischeii Landschaftsgesetze findet man iin norwegisc-hen Reehl die ältesten Belege fiir die Klage gegen den Tolen. Das (inlL KU) gibt eine zusammenfassende Darstellung der Fälle, in denen dem (InlL zufolge aiisdriieklich ein Prozess gegen den 'Foten stallzidinden hat: (■'1)01' die Klage gegen den tolen Mann.‘ Ks ist in drei Fälten, dass man gegen einen Toten Anklage erheben kann.- Das ist der erste Fall, dass ein Mann einen andern auf einer Frau findet, wobei er ihn zii erschlagen berechtigt ist. Und das sind sieben Frauen. Die eine ist die Frau des Mannes, die zweite seine Schwester, die dritte seine 'Fochter, die vierle seine Mutter, die fiinfle seine Stiefniuttcr, die sechsle die Frau seines Bruders, die siebente die Frau Um sakaroifl dauöuin niannc. Pdt cr i /irini slodiiin cr dauöinn ma sok gcva. /mt cr i ciniun stad cr madr hittir mann a kono fnärri cr hann a vig um at niga. En /nvr cro konor .nii. Ein cr kona mannz. onnur sgstir. firidia dotter, fiorda moder, fimta stiupmoder. setta brodor kona. siaunda sunar kona. Nu ^ Hci Meissner liiuiet sieh hier die ( herselzung »SehuUi auf einen Toten legen«, lind desgleichen iitiersetzl er die iin folgenden Text vorkoinnienden Worte dniidum . . . sok gcva mit »einein 'I'oten die .Seluild zuweisen«. Diese lieiden t'liersetziingen sind niclit ziitreflend, da werden — der Aiisdniek gcfa sök der allgeineingeliräuchlichc terminus techniens fiir »eine Klage anstrengen» oder »anklagen* ist; vgl. Larson und Roliberstad. I.arson iiticrsetzt, (iull> and FrostL S. i;{2: »Concerning action brouglit against a dead man« l)z\v. »liring action against a dead man«, wiihrend Roblierstad, (iidl. S. 178, die gleiclien Slellen folgendermassen wiedergibt: »Um soksmål mot daiid mann* bzw. »reisast sak mot dand mann*. Fine korrekte Ulierselziing findet sicli aiicli liei Pans. I. S. 1-lt): »Om dod Mauds .Saggivelse. Nn er del ndi trende Tilfadde. at man maa Saggive dod Maud.* - Meissners ('liersetznng isl also genn'iss dem in .\nm. 1 liesaglen geänderl worden. wie wir ini folgenden nocli aiifzeigen •_>7

cf madr hittir mann a cinni Iwcrri peirra. pa seal hann viga at pcim manne ef hann vill. oc segia pciin tnanne cr fijst kaanr I^ann til. oc hvat at sokuin var. Xu seal hann lita at orvar skurd ervingia hins dauda. ef liann cr innan fijlkis. ivda skcrc sialfr orvar. Xn seal hann a ping fara. oe leggia nidr vapn sin iitan pings, oc ivsta scr grida. oe bioda log firi sic. oc fava from vitni peirra manna er hann fgrst hitti. Xu ef menu sgnia honom pinggongu. pa helga peir hann oe egri bans, alt pat er er. pa er sa utlagr. er fallenn er. en eigi er fe hans utlagt, en sa fare heilagr er vig vd. seines Sohnes. Nun wenn jeinund einen Mann findet auf einer von diesen, da soli er den Mann erschlagen, wenn er will, und es deni erslen Manne anzeigen, zu deni er koninit, und was die rrsache war. Nun soli er darauf achlen, ob der Elbe des Toten Pfeile schneide, wenn er innerhalb des Fylkes ist, oder er niöge selbst Pfeile schneiden. Nun soil er zuni Thinge fahren und seine Waffen ausserhalb des Thinges niederlegen und Frieden fiir sich fordern und sich zu alleni gesetzlieh bestininiten erbieten und das Zeugnis der Männer vorfiihren, die er zuerst gelroffen hatte. Nun wenn die Manner ihni den Zugang zuni Thinge verweigern, da heiligen sie ihn und sein Verniögen, alles was er besitzt; da isl der friedlos,® der getötet ist, aber nicht ist sein Gut friedlos, und der gehe heilig davon, der den Totsehlag veriibt hat. Bereits in der riierschrift des Ciesetzesalisclinitles begegiien wir der Terminologie, die sow’ohl das norwegische wie das schwedische Recht verwenden, wenn sie von deni Prozess gegen den Toten sprechen, nämlich: sakargift daiidum marine. Dem entspricht die in dem Gesetzeste.xt gebraiichte Verbalkonstriiklion gefa daudiun sök. Der Ausdruck gefa sök, von Hertzberg iiliersetzt init »anla^gge sag« (eine Klage anslrengen), wird jedoch keineswegs niir hinsichtlich des Toten verwandt, sondern ist ein allgeineingebränchlicher Ausdrnck, diircli welchen bezeichnet werden soil, dass ein Prozess gegen eine Person eingeleitet wird.'* Das \T'rbrechen, das einem Mann das Recht * Das Wort iitlagr liesilzt bier die Bedeutung »fricdlos» iiieht in einem streng lechnisclicn -Sinne. Da jedoch dieses Wort in der Regel niit »friedlos* wiedergegeben wird iind da die sjiezielle Bedeutung. die das Wort in diesem Fall besitzt, eine längere Unlersucbung erfordert, ist die t'bersetzung »friedlos* beibebalten worden. Die eigentlicbe Bedeutung. die das Wort uilagr in diesem und äbnlicben Fallen besitzt, wird auf .S. 266 f. bebandelt. * Hertzberg, Gloss., Sticbwort sök (S. 631!. Das Wort sakargipt (S. 566) gibt Hertzberg mit »sogsmaal, sagsaiiheg, retsklage* wieder. Vgl. ferner Hertzlierg, 28

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