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arbeitete Entwurf eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches. Dieser Entwurf Martini war - geringfügig umgearbeitet - 1798 als erste vollständige europäische Privatrechtskodifikation14 in Galizien in Kraft gesetzt worden und bildete zugleich als sogenannter “Urentwurf ” die Grundlage für die Ausarbeitung des österreichischen ABGB. Zu dem Zeitpunkt, als Schuppler den ABGB-Urentwurf alsVorlage für seine eigenen zivilrechtlichen Entwürfe verwendete, hatte sich das “Galizische Bürgerliche Gesetzbuch” bereits seit 10 Jahren in der Praxis bewähren können, womit es dem erst 1804in Kraft getretenen Code Napoleon sechs Jahre voraus hatte.15 Zwischen dem ABGB-Urentwurf und dem von Landvogt Schuppler imApril 1809 vorgelegten “Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuche”16 bestand zwar eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung, es gab aber von vornherein einen gravierenden formalen Unterschied: In Liechtenstein war - wie in der Dienstinstruktion angeordnet - das Erbrecht und das Verlassenschaftsverfahren in einem separaten Gesetz geregelt. In Österreich hingegen war von vornherein festgestanden, daß das Erbrecht auf jeden Fall einen Bestandteil der Zivilrechtskodifikation bilden sollte.17 Auch das kann als Indiz dafür gelten, daß an eine Rezeption österreichischen Rechts nicht gedacht war, sondern daß man eine eigene Rechtsordnung ausarbeiten wollte, wenn auch - und das wurde nicht geleugnet - in enger Anlehnung an die österreichischen Gesetze. e l i s a b e t h b e r g e r 68 14 Bis dahin lagen nur Teilergebnisse des schon 1753 begonnenen Kodifikationsprozesses vor: Neben dem Erbfolgepatent der erste Teil eines Bürgerlichen Gesetzbuches, das sogenannte Josephinische Gesetzbuch, aus 1786. 15 W. Brauneder, Europas erste Privatrechtskodifikation: Das galizische Bürgerliche Gesetzbuch, in: H. Barta/R. Palme/W. Ingenhaeff (Hrsg.), Naturrecht und Privatrechtskodifikation, 1999, 303ff. 16 Vgl. dazu näher Berger, Zivilrechtsordnung (wie Anm. 7), 26ff., und die Edition des Entwurfs ebda, 71ff. 17 Zur Entstehungsgeschichte des ABGB vgl. ausführlich:W. Brauneder, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie von 1811, in: Gutenberg-Jahrbuch 1987, 205ff.

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