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folgenden Kaisern mit einer einzigen und zugleich recht typischen Konstitution als der älteste Prinzeps vertreten zu sein.41 Justinian übernimmt zwar jeweils zu Beginn der Institutionen und Digesten den naturalistisch-natürlichen Freiheitsbegriff der klassischen Jurisprudenz, der nicht im Naturrecht, sondern in einer deskriptiven Soziobiologie wurzelt und die Freiheit als die Befugnis bestimmt zu tun, was einem beliebt.42 Offenbar empfindet er diesen kreatürlichen Ausgangspunkt nicht als Widerspruch zu der in den Gaius-Institutionen vorliegenden Konzeption, in welcher der Mensch kraft der vom religiös legitimierten Kaiser gewährleisteten Rechtsordnung zugleich von Natur aus im Recht steht.43 Die Institutionen Justinians markieren damit die Kluft zwischen den beiden Schulen, indem sie neben dem Grundwerk der Gaius, wie die Digesten erkennen lassen, auch Exzerpte aus den insofern klassisch gebliebenen Institutionen Ulpians aufnehmen; sie überwinden sie aber im gleiche Zuge, indem sie implizit ihre Relevanz leugnen.44 Sie lassen dao k k o b e h r e n d s 42 41 In der ohne Jahresangabe überlieferten Konstitution Hadrians (117-138) CJ 6, 34, 2 wird bestimmt, daß in einem Erbschaftsstreit die Frage, ob einer der sieben Zeugen unfrei gewesen ist, nicht mehr aufgeworfen werden dürfe, wenn zur Zeit der Siegelung des Testaments die Zeugen nach allgemeiner Überzeugung allesamt für frei gehalten wurden (omnium consensu liberorum loco habiti) und gegen keinen von ihnen ein Freiheitsprozeß anhängig gewesen sei.Typisch ist daran die in der heutigen Jurisprudenz lebendig gebliebene) Fähigkeit, die formale Regel in Geltung zu halten und zugleich dieWirksamkeit rechtlicherVorgänge in einen angemessenen, vom Rechtsschein getragenen Vertrauensschutz einzubetten. Eine ganz parallele, utilitatis causa auf den Rechtsschein gestützte Milderung der stricta iuris ratio findet sich in Gaius III 160 (ein Mandat wird durch den Tod beendet; wer das aber entschuldbar nicht weiß, wird geschützt). 42 Vgl. Inst. 1, 3, 1; Florentin 9 institutionum D1, 5, 4 pr. 43 Daher ist der Sklave in den Gaius-Institutionen nicht nur Gegenstand von Besitz und Eigentum (II, 1; 13), was nach klassischer Anthropologie mit seiner Anerkennung als homo und rationaler persona naturalis vereinbar ist (vgl. unten Anm. 58), sondern erscheint kraft Kaiserrecht auch im eigentlichen Personenrecht, da ihm der Kaiser ein Beschwerderecht wegen Mißhandlungen eingeräumt hat, (I 52 ff.). Damit ist er, wenn auch im bescheidenen Maß,Träger eigener Rechte geworden, was nach klassischem Recht unmöglich war. 44 Auf die Art undWeise, wie Justinian diese Kluft als geschlossen denken konnte, findet sich bei Isidor von Sevilla ein verwertbarer Hinweis, da der Bischof unzweifelhaft aus Quellen schöpft, die älter sind als Justinians Kodifikation. Denn wenn Ulpian in seinen Institutionen das für die realistische Auffassung der Freiheit grundle-

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