RS 23

mit in der Frage der Beziehung des Menschen zum Recht eine Ambiguität entstehen, die viel Interpretationsraum schafft und vor allem eine realistische Auffassung der vom Recht gewollten menschlichen Freiheit begünstigt. Es ist daher bedeutungsvoll, daß es gerade die Institutionen Justinians waren, welche den modernen Privatrechtskodifikationen Menschenbild und Rechtsmodell lieferten. Was Justinian befähigte, tatsächlich das Institutionensystem mit eigenem Zugriff zu erfassen und durch dieVerbindung der beiden Schultraditionen sogar zu bereichern, war nun in der Tat der christliche Hintergrund, genauer die Überzeugung, mit der Hinterlassenschaft einen Stoff in die Hände bekommen zu haben, mit der er im Sinne der damaligen von ihm mit definierten Orthodoxie dauerhaft eine spezifisch christliche Rechtsordnung in Geltung setzen könne.Von den zahlreichen Anrufungen, in denen Justinian bekennt, seinWerk nur mit göttlicher Hilfe verwirklichen zu können45, ist die wichtigste Anrufung die der Trinität, sowohl für Justinians Blick auf die Rechtsordnung als Ordnung als auch rechtsanthropologisch. Sie findet sich in der anTribonian gerichteten Konstitution, welche den Auftrag zur Sammlung der Digesten gibt, und steht in untrennbarer Beziehung zur ausführlichen Regelung der trinitarischen Frage im Codex d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 43 gende ius naturale noch rein biologistisch oder soziobiologisch auffaßt (vgl. Ulpian 1 institutionum D1, 1, 1, 3), so daß eigentlich die Kluft zwischen dem naturrechtlichen, immer rechten und billigen (semper aequum et bonum) ius naturale der vorklassisch-sabinianischen Tradition (Paul 14 ad Sabinum D1, 1, 11 pr) unüberbrückbar erscheint, erweitert dieTradition bei Isidor V4, 2 das klassische soziobiologische ius naturale, das überall kraft Naturinstinkte (ubique instinctu naturae) auf so entschieden naturrechtliche Inhalte wie die Pflicht, ein depositumzurückzugeben. Die Natur, die so verschiedene Dinge lehrt, wie Paarung und Nachkommensaufzucht einerseits und Vertragserfüllung andererseits, ist nicht mehr die deskriptive der klassischen Skepsis, sondern findet bei Justinian ihre Quelle in der naturalia iuria erzeugendendivina providentia (Inst. 1, 2, 11), als deren Interpret sich der Kaiser sieht, und zwar nicht erst seit christlicher Zeit. 45 Sie finden sich insbesondere in den Konstitutionen Deo Auctore und Tanta.Vgl. im übrigen meine Lexikonartikel Codex Justinianus und Corpus Iuris Civilis, in: v. Campenhausen u. a. [Hrsg.] Kirchenlexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Band 1 (2000), S. 349-351 u. S. 370-371.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=