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Die hanseatischen Seerechte 125 (1) Eine wissenschaftlich rationale Betrachtung läBt sich ansatzweise erkennen In der Zusammenfassung der einzelnen Falle der Schadensteilung bei der Aufopferung von Schiff und Ladung zur Rettung aus einer Seegefahr unter dem — aus dem Mittelmeerraum kommenden —Begriff der Haverei und dessen weitere Differenzierung in groBe und kleine Haverel, denen sparer noch die partikuläre oder besondere Haverei hinzufiigt wird. (2) Eine weitere, wenn auch anders gelagerte Form der Verwissenschaftlichung zeigt sIch, wenn man die Vorschrlft iiber den Seewurf im Bardewikschen Kodex des älteren Liibischen Rechts aus dem Jahre 1294 betrachtet: ,.Wenn leute In wassernot sInd und Ihr gut werfen, das gut muB das schiff und die leute, die da gut in dem schiff haben, nach markzahl (verhältnismäBIg) gelten“.^“ Demgegeniiber helBt es zur Schadensteilung im Revidierten Stadtrecht von 1586: Der Schade geht iiber Schiff und Gut, „dergestalt, daB die Schiffsfreunde und auch der Kaufmann denselben, ein jegllcher an seiner Quota, so viel er an Schiff und Gut haben mag, bezahlen muB“.^“^ Vergleicht man die knappe, nur den Begriff „marktale“ enthaltende Bestimmung des älteren Rechts mit dieser ausfiihrlichen Vorschrift des Revidierten Stadtrechts, dann zeigt sich deutlich, wie hler eine formelhafte Rechtssprache durch eine wortreiche, auf Einzelheiten eingehende begriffllche Definition ersetzt wird. (3) Tendenzen einer Verwissenschaftlichung offenbaren sich ferner in dem Bemiihen, die Materie des Seerechts systematisch zu gliedern.^-^ Zwar kennen auch die mittelalterllchen Schiffsrechte durchaus eine Ordnung nach sachllchen Gesichtspunkten. Jedoch unterscheiden sich diese Ordnungsvorstellungen in ihrer Schlichtheit und ihrer Tendenz, an Lehenssachverhalten und auBeren Vorgängen anzukniipfen, nicht wenig von den — wenn auch noch so unvollkommenen —Systematlsierungsversuchen des 16. und 17. Jahrhunderts. Diese sind wesentlich differenzierter und zeichnen sich vor allem dadurch aus, daB sie sich bemiihen, von rechtllchen Kategorien auszugehen. Auch zeigt die Tatsache, daB man diese Systeme — im Gegensatz zur Ordnung der älteren Rechtsquellen — durch Einteilung in Titel äuBerlich besonders hervorhebt, wie sehr man sich einem neuen rationalen Rechtsdenken verhaftet fiihlt. Darin unterscheiden sich die Seerechte allerdings in nichts von den privatrechtlichen Rechtsreformationen dieser Zeit. 321 Siehe oben B IV 1 (S. 103 f.). LiibStR 1294 (Hack, Kodex II), A. 134: ..So war lude sint an waternot unde er ghut werpet, dat ghut mot dat schip unde de lude de dar gut hebben indeme schepe, na marktale ghelden“. LiibStR 1586 II 1. Vgl. auch oben Text zu Fn. 185. »24 Siehe Fn. 21, 35, 49. 321 322 323

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