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Mit Rücksicht auf die „Bindung zwischen wissenschaftlicherTätigkeit und Religiosität“ hat Nörr auf den oft zitierten Brief an Jacob Grimm vom29. Dezember 1817 hingewiesen,162 in dem Savigny wiederum davon spricht, daß Wahrheit – auch im wissenschaftlichen Zusammenhang – „offenbart“ werde: Wie das zuvor genannte Briefzitat stammt auch diese Äußerung aus der Zeit, in der die Begegnung Savignys mit der bayrischen Erweckungsbewegung seine Vorstellungswelt umfassend beeinflußt hatte. Wir werden diesen Einfluß berücksichtigen müssen, um zu erklären, warum sich Savigny, ausgehend von der Auffassung von der Offenbarung des Rechts sowie von dessen Universalismus, in der hier erörterten Passage des Briefes vom9. Dezember 1834 an Balug’janskij wegen derVermittlung des Rechts für die Bezugnahme auf Mission und Kolonisation entscheidet.164 Die Erweckungsbewegung bildete mit ihren vielfältigen Unterströmungen die letzte große Frömmigkeitsbewegung der Neuzeit.165 Sie re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 62 162 D. Nörr, Savignys philosophische Lehrjahre (1994), S. 263. 163 Brief an J. Grimm vom29.12.1817, bei Stoll, Savigny Bd. 2 (o. Fn. 23), Nr. 338, S. 239. Die hier offenbarte „Wahrheit“ ist jene, die von der Lüge zu trennen Aufgabe aller Kritik ist und die von Gott „kommt“; Brief anW. Grimm vom8. Juli 1811, bei Stoll aaO., Nr. 238, S. 76 f.. Über dasVerhältnis zwischen dem „einfältigen Kindersinn“,dem dieWahrheit „offenbart wird“, zur rechtswissenschaftlichen Forschung vgl. unten S. 71. 164 Weder Savignys Verhältnis zur Erweckungsbewegung noch die mutmaßlichen Auswirkungen diesesVerhältnisses auf Savignys Rechtsdenken sind bislang eingehend untersucht worden. Die Zusammenhänge können hier nur vorläufig skizziert werden, bedürften aber ausführlicherer Ausarbeitung. 165 Grundlegend G. A. Benrath, Art. Erweckung/Erweckungsbewegungen I., in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 10 (1982), S. 205-220 (210-215).Vgl. ferner A.Adam, Erweckungsbewegung und Romantik imAufbau der preußischen Landeskirche, in: ders., Sprache und Dogma. Untersuchungen zu Grundproblemen der Kirchengeschichte, hrsg. von G. Ruhbach (1969), S. 208-219. „Glauben Sie mir, wer auch nur in anderen Dingen, in Poesie, Geschichte, Wissenschaft aller Art der Wahrheit mit treuem liebevollem Auge nachgeforscht hat, sich selbst und eitlen Schein vergessend, dem kommt diese Übung des inneren Sinnes auch hier im heiligsten zu gute, denn hier und dort ist es doch am Ende der einfältige Kindersinn, dem allein die Wahrheit offenbart wird.“163 aa) Savignys Beziehung zur Erweckungsbewegung

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