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These aufgestellt, ohne Kenntnisse des römischen Rechts sei jeder Jurist „ein gelehrter Barbar“, ein bloßer „Handwerks-Jurist“.36 Er führt dann aus, daß insoweit an den russischen Universitäten „barbarische Zustände“ herrschten. Die Regierung kannte den kritischen Standpunkt Dabelows und nahm ihn offensichtlich ernst. So entstand der Plan, im Rahmen eines neu eingerichteten Studienkurses junge Professoren heranzubilden. Mit diesem Ziel faßte der Zar zu Beginn des Jahres 1828 den Beschluß zur Gründung eines speziellen Kurses für ausgewählte „Studenten der Gesetzeskunde“ an der Sankt Petersburger Universität.Wie aus einem Memorandum Speranskijs vom22. Januar 182837 hervorgeht, sollten diese Studenten nach einem besonderen Studienplan unter der Verantwortung der Zweiten Abteilung unterrichtet werden. Ihre Lehrer waren Balug’janskij selbst,Aleksandr P. Kunicyn38 sowie Modest A. Korf.39 Die Ausbildung konzentrierte sich auf das geltende russische Recht, und zwar unter Berücksichtigung seiner re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 26 36 Ch. Dabelow, Civilistischer Cursus auf Russischen Universitäten, in: (v. Bröckers) Jahrbuch für Rechtsgelehrte in Rußland, Bd. 2 (1824), S. 249-264 (250). Dabelow hat die Metapher sicherlich nicht selbst entwickelt, sondern bei Hugo entlehnt, der an prominenter Stelle die „handwerksmäßige Rechtskenntniß“, die sich auf die Frage beschränke „Was ist Rechtens?“ von der spezifisch wissenschaftlichen unterschied, die weiter frage: „Ist es vernünftig, daß Etwas Rechtens sey?“ und „Wie ist es Rechtens geworden?“; Lehrbuch eines civilistischen Cursus. Erster Band, welcher als allgemeine Einleitung die juristische Encyclopädie enthält, 6.Aufl. (1820), § 36, S. 45. 37 Abgedruckt bei P.Majkov, Speranskij i studenty zakonověděnija (Speranskij und die Studenten der Gesetzeswissenschaft), in: Russkij Vestnik 262 (1899), H. 8, S. 609626(610-613); vgl. Silnizki, Geschichte (o. Fn. 3), S. 418-420;T.Maurer, Hochschullehrer im Zarenreich. Ein Beitrag zur russischen Sozial- und Bildungsgeschichte (1998), S. 167. 38 Kunicyn (1783-1840) hatte von1808bis 1811in Heidelberg und Göttingen studiert. Nach seiner Rückkehr unterrichtete er am Lyceum in Zarskoe Selo Moralphilosophie und Rechtslehre. Er gehörte zu den herausragenden Lehrern Puškins und wurde von diesem stets mit Hochachtung erwähnt.Ab1817lehrte er am Sankt Petersburger Pädagogischen Hauptinstitut, das 1819 den Status einer Universität erhielt. Kunicyn vertrat Auffassungen von den natürlichen und den staatsbürgerlichen Pflichten des Menschen, die er sich in Göttingen angeeignet hatte und die er in seinem Lehrbuch des Naturrechts (Pravo estestvennoe, 1818-20) niederlegte. Dieses Werk brachte ihn in Konflikt mit der Zensur und führte schließlich zu seiner Amtsenthebung.Vgl. R. Lauer, Russische Studenten in Göttingen im18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: E. Mittler/S. Glitsch (Hrsg.), Rußland und die „Göttingische Seele“ (2003), S. 323-339 (336). 39 Modest Andreevič Korf (Modest von Korff) (1800-1876),Autor einer zweibändigen Speranskij-Biographie (1861).

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