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radezu als die „unerträglichsten Pedanten“.31 Nach seiner Erinnerung belehrte einer von ihnen – es wird Balug’janskij gewesen sein – die jungen Großfürsten „in einer Mischung aus allen Sprachen, von denen er keine einzige gut beherrschte,32 über römische, deutsche und Gott weiß welche Gesetze noch“.33 Es gelang Balug’janskij und den anderen Ratgebern des Thronfolgers insgesamt nicht, diesen für den Gedanken zu gewinnen, die abstrakten westeuropäischen Vorstellungen von Recht und Gesetz könnten auf das Zarenreich womöglich übertragen werden.34 So waren denn die Kodifikationsarbeiten auch von der strikten Erwartung begleitet, daß sie sich auf das geltende russische Recht beschränken sollten. Der Zar übertrug Balug’janskij ausdrücklich die Verantwortung dafür, „daß Speranskij nicht solche Streiche macht wie 1810“.35 Während das römische Recht in der Gestalt des in Deutschland geltenden Pandektenrechts als fremd und ausländisch betrachtet wurde, stand es als Grundlagenfach allerdings ganz offenkundig im Mittelpunkt des Interesses. Nun wurde dieses Fach an den Universitäten kaum gelehrt.Als besonders bedeutsam erwies sich daher, Professoren für Römisches Recht heranzubilden. In seinem1824 veröffentlichten kurzen Aufsatz „Civilistischer Cursus auf Russischen Universitäten“ hatte der Dorpater Rechtslehrer Christoph Christian Dabelow die mart i n ave nar i u s 25 31 Aufgezeichnet von M.A. Korf, in: ders.,Materialy i čerty k biografii Imperatora Nikolaja I i k istorii ego carstvovanija.Roždenie i pervyja dvadcat‘ lět žizni (1796-1817 gg.) (Materialien und Linien zur Biographie des Kaisers Nikolaus I. und zur Geschichte seiner Herrschaft [1796-1817]), in:N. F.Dubrovin (Hrsg.),Materialy i čerty k biografii Imperatora Nikolaja I i k istorii ego carstvovanija, St. Peterburg 1896, S. 1-100 (30). 32 ZurWahrnehmung von Balug’janskijs Sprachenkenntnis und deren mutmaßlichen Ursachen vgl. unten Fn. 137. 33 Aufgezeichnet von M. A. Korf, in: ders., Materialy (o. Fn. 31), S. 30.Vgl. Lincoln, Nikolaus I. (o. Fn. 29), S. 68. Eine angemessene Bewertung des abschätzigen Urteils muß berücksichtigen, daß der Thronfolger dem Unterricht offenbar selbst kaum gerecht wurde. Die beiden Großfürsten dämmerten vor sich hin, begingen Unfug oder fertigten Karikaturen (Materialy aaO.), ähnlich wie es übrigens die Aufzeichnungen des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm belegen, der etwa zur selben Zeit bei Savigny Unterricht erhielt. 34 Lincoln, Nikolaus I. (o. Fn. 29), S. 69. 35 Čibirjaev,Velikij Russkij reformator (o. Fn. 4), S. 158 mit Nachweisen. 3. Die Grundlagen des Rechts und der Bedarf an qualifizierten Juristen

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