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Vorstellungen davon, mit welcher Berechtigung diese Vermittlung überhaupt stattfand. Denn so vielfältig die historischen Beispiele dafür sind, daß eine Rechtsordnung durch die Berührung mit wissenschaftlichem Rechtsdenken bereichert worden ist, so klar liegt auch zutage, daß es nicht immer bloße Zweckmäßigkeit ist, die denWissenschaftstransfer begründet.Vielmehr kann gerade der dogmatische Charakter des Rechts die Überzeugung hervorrufen,daß es geradezu geboten sei, Elemente des juristischen Denkens anderen mitzuteilen.Wir werden die genannte Fragestellung im folgenden am Beispiel von Savigny und seinen Schülern aus dem Zarenreich behandeln. Dabei werden wir zunächst auf die äußere Organisation des Studiums junger Juristen aus dem Zarenreich in Berlin in der Regierungszeit Nikolaus‘ I. eingehen. Anschließend werden wir herausarbeiten, daß Savignys Engagement für die Rechtsentwicklung im Zarenreich ein bestimmt Sendungsbewußtsein zugrundelag. So läßt sich für ihn auf eine spezifische Motivation für die Vermittlung von wissenschaftlichem Rechtsdenken schließen, die sich von anderen, im wesentlichen durch Zweckmäßigkeitserwägungen getragenen Begründungen unterscheidet: Sie gründet sich auf Savignys religiöse Überzeugungen und, verbunden damit, auf seine Rechtstheorie. Daß dies gerade an Savignys Beziehungen zum Zarenreich gezeigt werden kann, ist kein Zufall. Über seine jahrzehntelangeVorlesungstätigkeit, sein wissenschaftliches Schrifttum und mittelbar auch durch das seiner akademischen Schüler konnte Savigny bekanntlich auch im Ausland große Wirkung entfalten. Einzig im Falle des Zarenreiches geht dieseWirkung allerdings auf planvolle Organisation zurück. Dadurch wurden die Beteiligten, wie in anderen historischen Fällen bewußter Rezeption, mit der Frage nach den theoretischen Grundlagen desVorgangs konfrontiert. re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 18 Giaro geleitet worden ist.Aus ihm sind u.a. die von Giaro herausgegebenen Sammelbände „Modernisierung durch Transfer im19. und frühen 20. Jahrhundert“ (2006; vgl. die Rezension von M.Avenarius, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte [Germanistische Abteilung] 125[2008],S.805-811) und „Modernisierung durchTransfer zwischen denWeltkriegen“ (2007) sowie der von Z. Pokrovac herausgegebene Band „Juristenausbildung in Osteuropa bis zum Ersten Weltkrieg“ (2007) hervorgegangen.

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