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Die Brücke von dem radikal humanistischen und intellektualistischen, im Begriff der Person konzentrierten Menschenbild, das die Rechtslehre des Servius Sulpicius Rufus und das von ihm konzipierte Edikt beherrscht, zu dem betont willenstheoretischen Begriff bei Augustinus und seiner Epoche wird durch die gesamte Kaiserzeit vermittelt und mit besonderer Kraft durch die Institutionen des Gaius, in denen die Zentralstellung der persona auf Servius und die skeptische Akademie zurückgeht, bei denen aber unter dem fortwirkenden Einfluß der sabinianischen Schule demWillen der Person, die dem Recht begegnet, die ausschlaggebende Funktion zukommt.59 Daher sind bei Gaius die Institutionen des Rechts, wenn man genauer hinsieht, nicht mehr in der ursprünglichen Strenge des klassischenius humanum als ein intellektuelle Hervorbringung des menschlich ordnendenVerstandes aufgefaßt, sondern als ein dynamisches Geschöpf von Rechtsprinzipien gedacht, bei deren Gewährleistung und o k k o b e h r e n d s 50 Richtungen gezählten Philosophien (Diogenes Laertes Einleitung I, 18/19). Die damit für diese Richtung vorausgesetzte spezifische Methode ist die dialectica, die Cicero dem Reformwerk seines Freundes Servius zuschreibt (Brutus 442, 153) und er die an anderer Stelle als skeptische ausdifferenzierte Begriffskunst e media illa nostra Academia vor Augen führt (Partitiones oratoriae 37, 129-131; 40, 139). Auf sie geht auch der grundlegende Unterschied zwischen institutio und natura zurück (Cicero, Topica 23, 90). 59 So ist, um ein zentrales Beispiel zu nennen, bei Gaius der Gegensatz zwischen den Obligationen ex contractu und ex delicto (III 89; 182) letztlich eine willenstheoretische Unterscheidung zwischen vertraglichem und deliktischemVerhalten einer einsichtsfähigen und steuerungsfähigen Person. ImVertragsrecht kommt es darauf an, ob in dem negotium nach dem auszulegenden Willen ein anerkanntes Vertragsverhältnis gewollt ist (III 91), was entweder durch bloßen Konsens oder unterVerwendung von hinzukommenden Formen geschieht (III 136) oder im Deliktsrecht darauf, ob tatbestandlich ein deliktischer Willensaffekt vorliegt (das ist das unumgenus, von dem Gaius III 182 spricht), der als solcher entweder dolus fordert (Gaius III 208) oder auch schon bei culpa gegeben ist (Gaius III 202). Daher ist auch die Argumentation, mit der die personenrechtlich und systemmatisch sehr lehrreiche Ansicht des Servius (die novatorische Schuldübernahme durch einen Sklaven; der Gläubiger verliert nur sein Recht, weil gegen den Sklaven eine Klage nicht möglich ist) von Gaius als überwunden dargelegt wird, letztlich willenstheoretisch: Der Gläubiger will keine Novation durch eine Forderung, die ihm kein Klagrecht verschafft, und erkennt als Obligation in diesem Sinn nicht an, was keine Klage ermöglicht. Es handelt sich um eine sabinianische Korrektur einer streng institutionellen Lehre des Servius im Rahmen des gemäßigt institutionellen Systems der sabinianischen Schule Julians, ganz wie im Fall Gaius III 156.

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