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dem in den verschiedensten Berufen tätigen Bürger eines expandierenden Stadtstaates. In der hellenistischen Zeit, d. h. in Rom seit dem 3. Jh., erkennt die Rechtswissenschaft der maiores kraft der von ihnen übernommenen griechischen, im wesentlichen der Stoa folgenden Rechtstheorie in demius Quiritumeinen Fall des geschichtlich überall auftretenden ius civile, des bürgerlichen Rechts des historischen Zeitalters, und rezipiert zugleich den Gedanken, daß die Gemeinwesen, insoweit sie aus Völkern (gentes) bestehen, zugleich natürliche Gliederungen der Menschheit sind, so daß alle Menschen nicht nur nach dem ihren Eigennutz in strikten, universalen und besonderen Formen schützenden ius civile leben, sondern sich imVerkehr untereinander als Staaten wie Privatpersonen dem vomVertrauensprinzip beherrschten universal geltenden ius gentiumunterordnen. Das Ergebnis dieser Rezeption war dieVerwandlung des Zwölftafelgesetzes in die Kodifikation von schier unerschöpflichem Reichtum, von der Cicero sprach. Die Reichtum war so groß, daß selbständige Darstellungen des Ius civile sich aus diesem Gesetz gewissermaßen wie überreife Früchte ablösten. Die Spannung zwischen dem Freiheit und Eigennutz schützenden strikten ius civile und dem den vertrauensvollen Verkehr schützenden ius gentium begründete die Fruchtbarkeit des Systems, führte es aber auch in die Krise, als seit der Mitte des 2. Jh. eine entschiedene Gewichtsverlagerung zugunsten des fundamental menschenrechtlichen, soziale Gerechtigkeit auch von der Politik einfordernden ius gentium stattfand.33 Die unvergleichliche geistige Dynamik dieses Rechtssystems beruht darauf, daß sie von den civitates forderte, zugleich zwei einander ergänzende Rechtssysteme zu verwirklichen, zwischen denen immer wieder der Ausgleich gesucht werden d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 35 33 Vgl. dazu meinen Beitrag:Tiberius Gracchus und die Jurisprudenz seiner Zeit – die römische Jurisprudenz gegenüber der Staatskrise des Jahres 133 v. Chr., in: Klaus Luig/Detlef Liebs, Das Profil des Juristen in der europäischenTradition. Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstages von FranzWieacker, 1980, S. 25 - 121

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