RS 23

Bestimmung schreibt vor, dass ein Gerichtsurteil nicht in allgemeinenWorten ausgesprochen werden darf, womit das Gerichtsurteil die Qualität eines geschriebenen Gesetzes oder einerVerordnung erhalten könnte.49 Praxis darf also unter keinen Umständen dadurch mit Gesetz verwechselt werden, dass das Gerichtsurteil einen allzu deutlichen Zug von Abstraktion und allgemeiner Gültigkeit erhält. Damit wird die relative und unvollendete Eigenschaft in der Praxis unterstrichen. Der Richter soll im allgemeinen nicht Recht schaffen. Die Rolle des Richters ist es, Recht anzuwenden. Die Rechtsanwendung besteht darin, relevante régle le droit auf die Tatsachen, die in jedem einzelnen Fall vorkommen, anzuwenden. Die Bestimmung unterstreicht, dass das Gerichtsurteil eine vorläufige und geschichtlich gebundene Natur aufweist. Durch Artikel 5 schafft der Code Civil ein “Prinzip der relativen Bedeutung der Praxis”. Das Prinzip wird verdeutlicht durch Artikel 1351, welcher besagt, dass die Bedeutung eines Gerichtsurteils nicht länger währt als dieTatbestandsmerkmale des Falles erlauben.50 Gemeinsam gelesen, geben Artikel 5 und 1351Anlass zu einer tieferen Spaltung innerhalb des Zivilrechtssystems, als Portalis in seinemVorwort einräumt. Eine allgemein vorkommende Erklärung zu Artikel 5 ist, dass die Rechtsanwendung dieVergangenheit als Objekt verwendet,während die Rechtsbildung exklusiv über die Zukunft verfügt.51 Dies deutet auf einenWillen hin, die Rechtsbildung als eine abstrakte, generelle und allgemein gültige Größe von der Abhängigkeit der Rechtsanwendung von konkreten, empirischen, unerbittlich nier i c h a r d n o r d q u i s t 176 49 Art. 5:“Il est défendu aux juges de prononcer par voie de disposition générale et réglementaire sur les causes qui leur sont soumises.” 50 Art. 1351:“L’autorité de la chose jugée n’a lieu qu’à l’égard de ce qui a fait l’objet du jugement. Il faut que la chose demandée soit la même; que la demande soit fondée sur la même cause; que la demande soit entre les mêmes parties, et formée par elles et contre elles en la même qualité.” 51 “En ce sens, le juge ne peut décider pour l’avenir; c’est dire qu’il ne peut pas décider des contestations qui n’exist-ent pas encore. S’il le fait, il dépasse les bornes du pouvoir judiciaire. Le législateur règle l’avenir; il ne lui est pas permis de régir le passé. Le juge règle le passé; il ne lui est pas permis de disposer pour l’avenir.”, F. Laurent, Principes de droit civil,T. I., Paris (1869), s. 336.

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