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d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 167 einzelnen Juristen wichtiger für den Zusammenhalt der Rechtsordnung als das geschriebene Gesetz. Savigny sah folglich den Weg zur Rechtseinheit in einer Verbesserung der Rechtswissenschaften.29 Die Ausbildung der Juristen undTheorie und Methode waren wichtiger als ein neues Gesetzbuch. Diese Schlussfolgerung hat zwei Konsequenzen. Einerseits verlangte Savigny besseren Juristenunterricht. Andererseits eine völlig neue rechtswissenschaftliche Methode. Im konkreten sollten die Juristen eine engere Beziehung zwischen Theorie und Praxis schaffen. Die Theorie sollte mehr praktisch werden und die Praxis sollte eine wissenschaftlichere Richtung als früher bekommen.30 Das methodologische Hauptthema von Savigny ist, dass die Aufgabe der Rechtswissenschaften in erster Linie darin besteht, Kenntnis über die Gesamtheit im Rechtssystem zu liefern. Bereits diese Kenntnis kann Verständnis für den einzelnen Fall geben.31 Das Recht könne studiert und entweder sukzessiv oder momentan erklärt werden. Die optimale Methode sollte in einem gut ausgewogenen Gleichgewicht zwischen Recht in Bewegung und Recht gefangen im Augenblick bestehen.32 Um totes Material 29 “Betrachten wir nämlich unsern Zustand ... so finden wir uns mitten in einer ungeheuern Masse juristischer Begriffe und Ansichten, die sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt und angehäuft haben. Wie die Sache jetzt steht, besitzen und beherrschen wir diesen Stoff nicht, sondern wir werden von ihm bestimmt und getrieben nicht wie wir wollen.”, s. 68. 30 “Was nun hier von dem Studium des Rechts verlangt worden ist, soll nicht etwa in Büchern aufbewahrt, auch nicht einzelnen Gelehrten anvertraut, sondern Gemeingut aller Juristen werden, die mit Ernst und mit offenem Sinn für ihren Beruf arbeiten wollen. ... diese Gemeinschaft unsrer Wissenschaft soll nicht blos unter den Juristen von gelehrtem Beruf, den Lehrern und Schriftstellern, statt finden, sondern auch unter den praktischen Rechtsgelehrten. ... eben diese Annäherung der Theorie und Praxis ist est, wovon die eigentliche Besserung der Rechtspflege aus-gehen muß, und worin wir vorzüglich von den Römern zu lernen haben: auch unsere Theorie muß praktischer und unsere Praxis wissenschaftlicher werden, als sie bisher war.”, s. 77. 31 “Denn man muß das klare, lebendige Bewußtseyn des Ganzen stets gegenwärtig haben, um von dem individuellen Fall wirklich lernen zu können, und es ist also wieder nur der theoretische, wissenschaftliche Sinn, wodurch auch die Praxis erst fruchtbar und lehrreich erscheint.”, s. 78. 32 “Ein zweifacher Sinn ist dem Juristen unentbehrlich: der historische, um das eigenthümliche jedes Zeitalters und jeder Rechtsform aufzufassen, und der systematische, um jeden Begriff und jeden Satz in lebendigerVerbindung undWechselwirkung mit

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