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Entwurf derVorkriegszeit und an das deutsche Sachenrecht hat bei den praktizierenden Juristen in Estland alsbald eine ziemliche Empörung und sogar einen gewissen Widerstand gegenüber die Privatrechtsreform überhaupt hervorgerufen. In sich ja schön reformgesinnt und von dem Willen getragen, aus dem Sowjetrecht heraus, hat man doch schnell festgestellt, dass man dabei vieles dazu- oder überhaput umlernen soll. Sogar die “eigene” historische Rechtstradition im Gestalt des Vorkriegsentwurfs hat sich plötzlich als fremd und unvertraut herausgestellt. Das Heranziehen des deutschen Vorbildes bot darüber hinaus reichlich Grund für immer laueteres Gerede über das abermalige Aufzwingen des fremden Rechts.Was man dabei als ein ‘eigenes estnisches Privatrecht’ oder als eine ‘genuinestnische Privatrechtstradition’ vorstellen sollte, wurde allerdings nirgendwo klar ausgesprochen. Vielleicht als Reaktion auf den vom Sachenrechtsgesetz hervorgerufenen sog.Kulturschockes kam es bei den nächstfolgenden Gesetzen zu einer gewissen Sowjetrechtsrenaissance oder zum Bleiben bei den schon bekannten und eingeübten Regelungen. Das AT-Gesetz vom1994 hat neben mehreren grundsätzlichen Veränderungen in die Richtung modernes, auf die individuelle Freiheit aufbauendes Privatrecht immerhin vieles von den Lösungen des Sowjetrechts beibehalten.21 Das Familienrechtsgesetz vom1994 mit seinem realtiv grosszügigen und einfachen Scheidungsrecht oder dem gesetzlichen Prinzip der Gütergemeinschaft im Ehevermögensrecht könnte man ebenfalls als eine Fortsetzung der sowjetischen familienrechtlichenTraditionen bezeichnen.22 In dem späteren Verlauf der Privatrechtsreform hat man sich durch die Änderungen in AT-Gesetz und vor allem durch die nunmehr seit 2002 ganz neuen Fassung des Gesetes von den ma r j u l u t s 150 21 S. a.: Mikk (Fn. 15), S. 293 f. 22 Die Gütergemeinschaft im Ehevermögensrecht war für das vorsowjetische Privatrecht in Estland allerdings keine unbekannte Institution. Bis zum ersten Weltkrieg ging das Ehevermögensrecht der Mehrzahl der Bevölkerung in Estland, des Bauernstandes von dem durch die Bauernrechte von der Mitte des 19. Jahrhunderts festge-

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