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d i e k o d i f i k at i o n u n d d i e j u r i s t e n 143 Inwieweit es eine umfassende einheitliche Kodifikation bedeuten sollte, war allerdings offen. Die Alternative der Einzelgesetze etwa nach der Art der skandinavischen Nachbarländer stand ja auch nach der Verabschiedung des Sachenrechtsgesetzes durchaus offen. Etwas zugespitzt könnte man sogar behaupten, dass gerade dieVerabschiedung des Sachenrechtsgesetzes als eines Einzelgesetzes die Alternative eigentlich geöffnet hatte. Man denke insbesonders daran, dass die übrigen baltischen Länder die Möglichkeit der Privatrechtsreform über die Einzelgesetze eigentlich gleich beiseite gelassen haben.17 Mit dem Gesetz des allgemeinenTeils des Zivilgesetzbuchs vom 1994 war der umfassender Kodifikationsplan des estnischen Reformgesetzgebers allerdings ausdrücklich zur Tage gelegt, wie man schon von dem Titel des Gesetzes entnehmen kann. Immerhin zeigt dasselbe Gesetz auch den konkretenWeg, die man zurVollbringung der Kodifikation gewählt hatte. Man wollte zu einer Gesamtkodifikation des Privatrechts durch die Einzelgesetze gelangen, die Novellen- oder – wenn man es so ausdrücken will – Bücherweise verabschiedet werden sollten. Die in Europa schon fast totgeglaubte Kodifikationsidee von Neuzeit und Moderne wurde in Estland und wohl auch in den anderen baltischen Länder für die Reform der Privatrechtsordnung ohne Diskussionen aufgenommen und als einzig denkbarerWeg geschlagen.18 17 In Lettland hat man 1993 das Zivilgesetzbuch vom1937 wieder in Kraft gesetzt. In Litauen gab es vor dem II.Weltkrieg keine einheitliche Privatrechtskodifikation; es begann amAnfang der 1990-er jedoch gleich die Arbeit an dem Gesamtentwurf zum Zivilgesetzbuch. Im knappen Überblick, aber m. w. N. zu der Privatrechtsgeschichte und jüngsten Reformvorhaben in allen drei baltischen Staaten: D. A. Loeber, Kontinuität im Zivilrecht nachWiederherstellung staatlicher Unabhängigkeit – Zu den Zivilgesetzbüchern von Lettland (1937), Estland (1993) und Litauen (2000). - In: J. Basedow u.a. (Hg.), Aufbruch nach Europa: 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht. Tübingen 2001, S. 943 ff; zu Litauen noch: V. Mizaras, V. Nekrosius, Das neue Zivil- und Zivilprozessrecht in Litauen. - In: Zeitschrift für Europäisches Privatrecht, 2002, S. 466 ff. 18 Es ist wohl anzunehmen, dass die jüngste westeuropäische Kodifikation, das Niederländische Bürgerliche Gesetzbuch vom1992 für die Kodifikationsentscheidung der osteuropäischen Reformstaaten in den 1990-er durchaus ermutigend gewirkt hat.

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