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Kjell ÅModéer Projekt der Theorie fur die Theorie, sondern eine Arbeit der Theorie fiir die Praxis, d. h. den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber sollte von dieser Edition ausgehen und sie seiner Arbeit zu grunde legen. 1836 erreichte der latente schwedische Streit um die Kodifikation einen Höhepunkt, als sich der Oberste Gerichtshof gemäE §87 der Regierungsform zu dem Entwurf eines allgemeinen Zivilgesetzbuches Stellung nehmen sollte. Damals war schon eine Mehrheit der Mitglieder des Gerichtshofes Anhänger der historischen Rechtsschule (und insoweit kann man schon von einer allmählichen Verwissenschaftlichung der Rechtsprechung sprechen), und ihre Stellungnahme fiel sehr kritisch aus. Sie kritisierten mit Emphase den Entwurf mit Hilfe der Argumente, die die historische Rechtsschule und Savigny vorgegeben hatten. Er sei - so schrieben die Richter — mit nationaler, historisch verankerter Gesetzgebung unvereinbar. Nicht nur die Darstellung der Rechtsregeln, sondern auch ihr Inhalt sei so verändert, daE man sie nicht wiedererkenne.^^ Rechtspolitisch spitzte sich dieser Konflikt zwischen Reformund Erhaltung immer mehr zu. Der alternde König Karl Johan XIV. wurde immer konserv^ativer und seine Einstellung zur Kodifikationsreform wurde immer negativer. Nach seinemTod imJahre 1844 wurde aber unter seinemSohn und Nachfolger Oscar I. eine ganze Reihe von Reformentwiirfen vorgelegt. Johan Gabriel Richert und Carl Johan Schlyter, der liberale Reformer und der konserv ative Vertreter der historischen Rechtsschule waren 1846—49 gleichzeitig Mitglieder der Gesetzeskommission, deren Diskussionen stark von historischen Argumenten geprägt wurden. Richert war kritisch und reformfreudig, Schlyter dagegen dynamisch, organisch und gegen Reformen eingestellt. Wie lange dauerte im 19. Jahrhundert die historische Argumentation, und wie stark orientierte sie sich an der historischen Rechtsschule? Ab 1850 fand in Deutschland langsamein Ubergang zu einerseits positivistischen und andererseits naturwissenschaftlichen Theorien statt. So lange aber eine Reichsgesetzgebung nicht stattgefunden hatte, spielten nach wie vor ius commune und die rechtshistorische Argumentation eine - allerdings abnehmende - Rolle. Schweden stand - besonders nach 1870 - der deutschen Rechtskultur sehr nahe und folgte mit gewisser Verzögerung der deutschen Rechtsentwicklung. Als Carl Johan Schlyter 1888 im Alter von 93 Jahren starb, w^ar seine Ausgabe der alten schwedischen Gesetzesbiicher, Sveriges gamla lagar, fertig, war aber zugleich ein Monument fiir eine Epoche der Vergangenheit geworden. Die Bliitezeit des 19. Jahrhunderts, als die Rechtsgeschichte im Verbund mit Theorie und Praxis ein wichtiges und vitales Instrument der Rechtsformung war, war damals aber schon lange vorbei. Demokratisierung durch Stig Jägerskiöld, Den historiska skolan i Sverige. In. Kjell Å Modéer (Hrsg.), Historiska skolan och Lund. Rättshistoriskt symptisium 1980. Acta Societatis Juridicae Lundensis, Nr 49, Lund 1983, S. 53 ff. 116

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