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Kjell ÅModéer allgemeinen Kriminalgesetzbuches mit einer Kriminalprozel^ordnung zu erarbeiten. Schon diese Systematisierung des Gesetzesstoffes war von den napoleonischen Gesetzbiichern, les cinq codes, inspiriert. Angesichts des schwedischen Balksystems, dem das Gesetzbuch von 1734 folgte und das auf die mittelalterlichen Landschaftsrechte Schwedens zurtickgeht, war eine solche deutliche Orientierung an einemausländischen Vorbild unhistorisch. Die rechtspolitischen Signale waren fiir die Gesetzeskommission also nicht eindeutig. Einerseits sollte sie fast statische, redaktionelle Arbeit leisten, andererseits aber eine fremdartige Systematisierung des zu kodifizierenden Stoffes vornehmen. Schon in der ersten Phase der Kommissionsarbeiten traten dann unterschiedliche Auffassungen zu Aufgabe und rechtspolitischer Rolle der Gesetzeskommission zu tage. Der liberale Teil der Kommission, mit Johan Gabriel Richert^- als ftihrendem Vertreter, neigte zu einer extensiven Interpretation des Auftrages und wollte auch neue, hauptsächlich aus dem französischen Recht rezipierte Rechtsprinzipien wie beispielsweise Emanzipation der Frauen imFamilien- und Erbrecht einfiihren.^^ Die eher konservativen Kommissionsmitglieder wollten dagegen reaktionär schon obsolete Rechtsregeln wiederaufleben lassen. Beide Gruppen benutzten die Geschichte als Argument. Die Liberalen argumentierten z.B. fur Einfuhrung grundsätzlicher Unmittelbarkeit und Mtindlichkeit imProzefirecht. Sie gingen dabei aber nicht von einer Rezeption französischen Rechts insbesondere der napoleonischen Gesetze aus, sondern von den mittelalterlichen Landschaftsrechten Schwedens. Schon imWestgota-Lag aus dem 13. Jahrhundert war festgelegt wurden, daft der Richter die Parteien sieben Tage nach der Tat zu einer Verhandlung vorladen sollte. Ein moderner Reformvorschlag wurde also mit einemdynamischen, historischen Argument begriindet. Der Konflikt der beiden Linien in der Kommission war ein Konflikt zwischen statischer und dynamischer Argumentation. Die Zielsetzung des Gesetzgebers war es, durch Anpassung an gegenwärtige soziale und politische Verhältnisse eine vor dem Hintergrund der neuen Regierungsform möderne Gesetzgebung zu erhalten; das schwedische Gesetzbuch sollte renoviert werden. Ab 1815 konkretisierte dann die historische Schule das historische Argument fiir einige wichtige schwedischeJuristen. Ein erstes Beispiel bietet die Justizreform. Auf der einen Seite wollten die Liberalen nach französischen Vorbildern und auf der Grundlage des revolutionären Gleichheitsprinzips die Richtermacht auf zentrale, allgemeine Ge114 Kjell Å Modéer, [Art.] Richert, J. G., in: M. Stolleis (Hrsg.), Juristen: En biographisches Lexikon. Von der Antike bis zum20. jahrhundert. Beck Miinchen 1995, S. 518 f. ^5 Karl Warburg, Johan Gabriel Richert. Hans letnad och uttalanden, Bd. 1, Stockholm 1905, S. 189 ff.

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