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Thkorie und praxis 113 und durch eine konstitutionelle Monarchic mit einer Verfassung ersetzt wurde. Sic orienticrte sich an einer aus Frankreich importierten, an Montenquieu angelehnten Gewaltenteilungsideologie. Diesc Entwicklung in Schweden entsprach ähnlichen Entwicklungen auf dem europäischen Kontinent zu jener Zeit. Trotz des revolutionären und aufklärerischen Ansatzes wurden ftir die schwedische Verfassung von 1809 jedoch historische und traditionalistischc Gedanken relevant. Den Zeitgeist beherrschten patriotische Stimmungen, von deutschen Romantikern geprägt. Und ftir die Väter der Verfassung war historische Kontinuität cin tragendes Element. In § 16 der Verfassung, den man als eine schwedische Magna Charta bezeichnet hat, wurde eine Regclung von Freiheiten aufgenommcn, die vom König garantiert werden sollten, und das geschah mit Formulicrungen, die auf mittelalterliche Rechtsregcln zurtickgcfiihrt werden können. Die Vorschriften der Verfassung fiber die richterliche Gewalt waren zugleich progressiv und traditionell. Richter wurden grundsätzlich unabhängig und unabsetzbar; gleichzeitig behielt aber der König Sitz und Stimme im Obersten Gerichtshof. Der König als Richter blieb cine lebendige Vorstellung. Die schwedische Regierungsformvon 1809 war wegen soldier Bestimmungen keine revolutionäre Verfassung wie die französische. Geschichte wurde als ein tragendes organisches Element benutzt; Geschichte und Kontinuität prägten die Verfassung, die dann mehr als 160 jahre in Kraft blieb und imLaufe der Jahre von Rechtsentwicklungen praetcr constitutionemiiberholt wurde. Die Ereignisse dcs Jahres 1809 bedeuteten aber auch, daft ein Spannungsverhältnis entstand zwischen dem neuen Verfassungsdokument einerseits und dem Gesetzbuch von 1734 andererseits. Die neue politische Lage verlangtc Kongruenz von Verfassung und geltendemRecht, eine Erneuerungder Verfassung, cine Anpassung der alten Rechtsbiichcr. Nur ein Jahr nach dem verfassungsgebenden Reichstag wurde dann auch eine Gesetzesrevision beschlossen und wiedcrumeinJahr später, 1811, Dircktiven fiir die Gesetzgebungskommission, lagkommittén, formuliert. Auch hier findet man ein revisionistisches Argument. Aufgabe der Kommission sollte es sein, das Gesetzbuch von 1734 nur formal und redaktionell zu iiberarbeiten. Die seit 1736 beschlossenen Novellen sollten in die Kodifikation eingearbeitet, neuc Rechtsprinzipien aber nicht eingefiihrt werden. Der Respekt fiir bestehende Gesetze war deutlich. Rezeption ausländischcn Gedankenguts ist mit so geschichtsorientierten Uberlegungcn nicht ohne weiteres vereinbar; dennoch wurden ausländische Ideen ftir das Projekt fruchtbar. Aufgabe der Kommission war es, Entwiirfe eines allgemeinen Zivilgesetzbuches mit einer Zivilprozefiordnung sowie eines ” Gunnar Hcckscher, Nationell och internationell författningsdebatt 1809 och tidigare. In: Stefan Björklund (Hrsg.), Kring 1809. Om regeringsformens tillkomst. Lund 1965, S. 101 ff.

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