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Theorie und praxis 107 Fiir Moser war die Deutungder Geschichte nicht wie sparer bei Savigny eine Frage, mit „grobartigemSinn iiberall die Geschichte zu deuten“, das geht „auf die game Geschichte" (Riickert), sondern „Suche nach Einheit in einer bestimmten Geschichte” (d.h. Osnabriicker Geschichte). Die patriotischen Jahrzehnte des 18. Jahrhunders brachten auch rechtshistorische Darstellungen hervor. In Dänemark publizierte Peder Kofod Ancher [1710-1788] „Den danske lovhistorie", die erste Darstellung der danische Rechtsgeschichte zwischen 1769 und 1776.'^ Wie Moser berief sich auch später z.B. der liberale Publizist Carl Theodor Welcker [1790—1869] auf die deutsche Geschichte. Als ein Repräsentant des „historisch-organische“ Liberalismus wendete er sich gegen ein mechanisches Verständnis des Staates. Alles historisch Gewordene sei wandelbar. Ab Ende des 18. Jahrhunderts wendeten sich schon die meisten Theoretiker gegen den Gedanken der „Staatsmaschine“; stattdessen zogen sie das Bild, der Staat sei ein „Organismus“, vor.'" Die Maschine, genauer: die Uhr, wurde von Thomas Hobbes [1588-1679] als Metapher in die Staatstheorie eingefiihrt. Sie beherrschte das Denken vom 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.Der Staat sollte als Maschine— absolut zuverlässig - funktionieren. Das gleiche gait fiir das neue „uniformierte“ Heer, das durch Drill ebenfalls zur Maschine geformt wurde. Empirisch-rationale und historische Deutungen ersetzen frtihere religiöse Vorstellungen.'^ Theologisch stand fur dieses Bild Gott als allmächtiger „Uhrmacher", der einen Plan fiir die Welt entworfen hat, nach demsie nun läuft. Die Regeln sind die Naturgesetze. Das theologische Problem bestand darin, daB man annehmen mulke, dal^ Gott auch den Naturgesetzen unterworfen (also nicht allmächtig) sei! Man löste es, indem man sagte, Gott habe diese Gesetze geschaffen und sich ihnen nach dem Schöpfungsakt freiwillig unterworfen. Die Parallele ftir den Fiirsten, der die Gesetzgebungskompetenz hat, sich aber seinen eigenen Gesetzen unterwirft, liegt auf der Hand. Wenn nun etwa ab 1750 gegen die „Maschine“ das Bild des „Organismus“ ins Spiel gebracht wurde, dann kann dies bedeuten Joachim Riickert, Historic und Jurisprudenz bei Justus Moser. In; Michael Stolleis (Hrsg.), Die Bedeutung der Wörter. Festschrift fiir Sten Gagnér zom70. Geburtstag 1991, Munchen 1991, S. 357 ff., besonders 367 ff. Ditlev Tamm, Patriotische Rechtsgeschichte und nationale Identitat, In: Michael Stolleis (Hrsg.), Die Bedcutung der Wörter. (Siehe FulGote 15), S. 509 ff. Michael Stolleis, Geschichte des offentlichen Rechts in Deutschland, Band 2, 1800-1914, Beck Munchen 1992, S. 176 ff. Barbara Stollberg-Rilinger, Der Staat als Maschine. Zur politischen Metaphorik des absoluten Fiirstenstaates. Historische Forschungen, Bd. 30, Berlin 1986. Michael Stolleis, Jus publicum und Aufklärung. In: Notker Hammerstein (Hrsg.), Universitäten und Aufklärung, Göttingen 1996, S. 184 ff.

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