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Paolo Grossi 40 Quellenproblems — wie z. B. jene viel komplexere und kompliziertere des juristischen Pluralismus des antiken mittelalterlichen oder postmittelalterlichen Regimes wurde manichäisch verachtet und ohne Berufung verurteilt, weil unfähig eine moderne Gesellschaft in angebrachter Weise juristisch zu ordnen. Man stellte als naturgegeben bin, was nur ein intelligentes und klares Instrument der Konservierung miihsamerkämpfter Macht war. Das Schlimmste ist, daB es genau so aufgefaf?t wurde. Die Propaganda war so iiberzeugend, dal? sie, auffälligster Fall in der juristischen Geschichte, hörig machte: der Jurist, gleich ob Gelehrter oder Praktiker, erstes Opfer der politischen Operation weil einer fast vollständigen Enteignung unterzogen, schien iiberzeugt, akzeptierte die Ketten einer vollständigen Passivität und zeigte sich bereit die orthopädischen Instrumente herzustellen, die technisch dazu in der Lage waren, die Vergehen des Gesetzgebers geradezubiegen und zu befestigen. Das Opfer nahm die bescheidene Rolle, die ihmvomVerfolger angewiesen wurde, an und stimmte einer Zusammenarbeit in perfekter Unterordnung zu. Der alte Interpret rebellierte nicht gegen die Versklavung und akzeptierte, ohne mit der Wimper zu zucken, sich in einen Exegeten zu verwandeln. Und die juristische Wissenschaft des 19. Jahrhunderts in den Ländern des kodifizierten Rechts nahmeine hauptsächlich exegetische Dimension an. In neuester Zeit ist von einem brillanten französischen Zivilisten, Jean Phiverfal?t c« 2 lippe Remy, eine starke und leidenschaftliche „éloge de Pexégése worden. Mit dem erklärten Ziel, ein Bild zu geben, das von dem verschieden ist, welches — nach Remy — seit Bonnecase^ zu einem Gemeinplatz geworden ist, scheint es mir, dal? eine tatsächlich auf den Kopf gestellte, aber kiinstliche und postkartengleiche Vision angeboten wird, weil sie der Wahl des kulturellen Hintergrundes dieser Juristen ausweichend begegnet. Wir, die wir stets mit Gewinn ihre klaren Seiten gelesen haben, können die „éloge“ ohne Schwierigkeiten unterschreiben, wenn nur drei Feststellungen klar bleiben: — dal? diese vielzählige Kohorte — einheitlich, auch wenn man nicht von einer einheitlichen Schule sprechen kann - von Delvincourt bis Laurent in Frankreich, von Precerutti bis Francesco Saverio Bianchi in Italien, gezeichnet ist und bleibt, dutch eine abdikative und datum das juristische Phänomen reduzierende Psychologie, weil sie das Recht immer nur jenseits, oder sogar oberhalb von sich sieht, weil es fiir sie eine von oben kommende, autoritäre Projektion ist, dessen Produktion in den Händen jener liegt, die die politische Macht haben und der gegeniiber Rechtsprechung und Rechtslehre passive Empfänger (schlimmer noch: Dritte!) sind; ’ P. Remy, Eloge de Pexégése (1982), jetzt in: Droits - Revue fran^aise de théorie juridique, I (1985). ^ J. Bonnecase, L’Ecole de Pexégése en droit civil — Les traits distinctifs de sa doctrine et de ses méthodes d’apres les professions de foi de ses plus illustres réprésentants, Paris, Boccard, 1924, 2 éd.

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