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Paolo Grossi Ungewohnt weil in der Substanz neu gegeniiber der alten Psychologic der Macht und dem alten Modell der Machtausiibung. Der „Prinzeps“ alten Regimes, auch wenn seit dem 16. Jahrhundert immer mehr Gesetzgeber, hat nie den Anspruch das juristische Territoriumzu monopolisieren, das ihmzu weit ausgedehnt und voll von Gebieten scheint, die er fiir die öffentlichen Dinge nicht fiir relevant hält. Er erläl^t immer mehr Gesetze, weil das vomimmer intensiveren juristischen Kreislauf gefordert wird, aber er glaubt — eine gewisse Kontinuität als Erbe des mittelalterlichen Prinzeps nicht verleugnend — dafi, neben demWillen des Souveräns parallele Quellen an der Herstellung einer Ordnung teilnehmen miissen, die besser geeignet sind, jene nicht relevanten Zonen zu disziplinieren, von denen gerade die Rede war. Fiir das gesamte alte Regime, wenn auch immer schwächer werdend, dominiert ein grundsätzlicher Pluralismus die juristische Landschaft und jede staatliche Realität ist eine — als juristische Erfahrung — zutiefst pluriordinamentale Realität. Dies trifft besonders auf das Privatrecht zu und hierbei in erster Linie auf seinen reinsten privatistischen Kern, das Zivilrecht. Das Privatrecht war damals, zumgrofien Teil, das Recht der Privaten,' d. h. hergestellt von Privatpersonen, von Autoritäten ohne öffentliche Gewalt, eine von unten, aus der Gewohnheit kommende Realität, die seine juristische Definition in der „interpretatio“ der Doktoren, Richter und - warumnicht? — der Notare findet. Dieses Recht hatte zwei herv'orstechende Merkmale: von jenseits des Staates kommend, stellt es sich als authentisch privat dar, eine hinreichend lautere Stimme der Gesellschaft in seiner täglichen juristischen Erfahrung; dank seines Gewohnheitsstempels und einer plastischen und beweglichen juristischen Definition wie jener von Doktrin und Rechtsprechung verwirklichten, behielt dieses Recht seine preziöse Osmose mit der Welt der Fakten, mit der es einen andauernden, vitalen Austausch unterhielt und dadurch eine zu harte Abgrenzung zwischen „factum“ und „jus“, zwischen dem juristisch Relevanten und Irrelevanten vermied. Die Kodifikation kennzeichnet fiir die Rechtsgeschichte zumersten Mai eine briiske Wendung. Der politische Machthaber zeigte eine gegeniiber dem Recht völlig veränderte Psyche, er verstand seine Wichtigkeit und bemächtigte sich seiner Produktion, sich ein festes Monopol schaffend. Die juristische Erfahrung, die, soweit es das Privatrecht betraf, eine wirklich pluriordinamentale innerhalb der staatlichen Erfahrungwar, fand sich gezwungenermafien eins mit dem Staat und wurde dadurch komprimiert, verstiimmelt. Die Quellen, die gestern vielschichtig an der Formierung des Privatrechts teilgenommen hatten, sahen sich drastisch eingeschränkt oder gezwungen imSchatten der autoritären Norm des Prinzeps zu vegetieren; von ihnen blieb ein hypokretischer Leich38 ' Der Titel bezieht sich auf die Uberschrift einer bedeutungsvollen Studie des italienischen Rechtsphilosophen Widar Cesarini Sforza, II diritto dei privati (1929). Mailand, Giuffre, 1963.

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