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144 schlief^lich als eine Schandstrafe an, der Stock- oder Prangerstrafe gleichend. Die Bufizahlung war weggefallen und das Zentrale lag gerade in der Zurschaustellung des Verbrechers in der Kirche. Bezeichnend fiir diese Veränderung in der Attitude ist, dafi der Terminus „Kirchenzucht“ nun ganz den der „öffentlichen Abbitte“ verdrängt. Das Kirchengesetz von 1686 markiert die Niederlage der Geistlichkeit im Kampf um den Einflufi iiber die Kirchenzucht. Doch schuf das Kirchengesetz aufgrund von unklaren und unvollstandigen Bestimmungen eine gewisse Verwirrung in der Anwendung. Das Problem löste man während der folgenden fiinfzig Jahre nur teilweise durch die Praxis und königliche Gutachten. Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts erhoben sich einzelne Stimmen fiir eine Abschaffung der Kirchenzucht in der zu dieser Zeit aktuellen Form. Die Kirchenzucht als Schandstrafe hatte ihre Befurw^orter vorwiegend in der Priesterschaft, während die allgemeine Auffassung unter dem iibrigen gebildeten Volk bedeutend mehr „evangelisch“ gewesen zu sein scheint. In dem nie in Kraft getretenen Kirchenordnungsentwurf, der parallel zu dem allgemeinen Gesetz von 1734 ausgearbeitet wurde, war die offentliche Abbitte zu einer im Prinzip freiwilligen Handlung umgewandelt worden und in dem Gesetz von 1734 ist die Kirchenzucht durch Geldbulsen ersetzt. Es zeigte sich indessen, dal? die Kirchenzucht eine hartnäckige Lebenskraft besal?. Trotz unaufhörlicher Debatten im Reichstag und vieler wohlformulierter Protestschriften existierte sie noch liber em Jahrhundert. Ein definitiver Umschwung in der Einstellung der Geistlichkeit kann erst in dem Entwurf einer Kirchenordnung aus dem Jahre 1828 notiert werden. Das Institut wurde endgiiltig imJahre 1855 abgeschafft. Ein Grund dafiir, dais die Frage der Kirchenzucht so schwer zu lösen war, lag darin, dafi die Kirchenzucht nicht nur der Orthodoxie des 17. Jahrhunderts als Mittel fiir das Streben nach Konformität diente, sondern auch, dal? sie fur die Geistlichkeit einen Symbolwert besals: die Selbstäncfigkeit der Kirche gegenfiber der Königsmacht. Dal? eher das Korps der Juristen als die Geistlichkeit fiir das „evangelische Erwachen“ des 18. Jahrhunderts verantwortlich war, beruhte vielleicht nicht so sehr auf einer „moderneren“ Menschensicht bei den Erstgenannten, sondern eher darauf, dal? die Letzteren sich in einer Verteidigungsposition gegeniiber Veränderungen befanden, die mehr und mehr die Selbständigkeit der Kirche m Frage stellten.

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