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43 ohne daf5 willkiirliche Richterabsetzungen durch den Kaiser Anlafi dazu gegeben batten, hatte ich schon vermerkt. Uberlegungen zu Rechtsreformen zielten nicht mehr auf die Arbeit der Reichsgerichte. 1643 hatte Hermann Conring die einheitliche Rechtsgrundlage fiir die Arbeit der Zentralgerichte des Reiches zerstört, indemer nachwies, dafi die Vorstellung falsch sei, Kaiser Lothar habe das Römische Recht durch ein Gesetz einheitlich in Deutschland eingefiihrt.'^^ Vielmehr habe sich das Jus Commune im Gerichtsgebrauch Satz fiir Satz und nicht in complexu durchgesetzt. Damit verlor das Römische Recht seine Eigenschaft als unbezweifelbare reichsrechtlich wirksame Entscheidungsgrundlage. Stattdessen mu£te nunmehr nachgewiesen werden, dafi der angezogene Satz des Corpus Juris auch wirklich rezipiert worden sei. Sicherlich hielt die Praxis auch nach Conring noch weithin daran fest, daft es geniige, sich auf eine Glosse imCorpus Juris zu berufen, umeine „fundata intentio" fiir die Rezeption des betreffenden Satzes nachzuweisen. Doch blieb das Bediirfnis nach einer reichseinheitlichen Rechtsgrundlage zumindest fiir das Zivilrecht weiter aktuell, well sich die deutsche Gesetzgebung in Normsetzungen der verschiedenen Territorien zersplitterte. Leibniz’ Plan eines „Corpus Juris reconcinnatum“ von 1672 muftte in Anbetracht dieser Situation eine Utopie bleiben, wie WiEACKER meint.'^^ 3. Zusammenfassung Die Voraussetzungen fiir das Wirken der höchsten Gerichtsbarkeit waren in den drei untersuchten Ländern schon amUbergang vomMittelalter zur friihen Neuzeit so unterschiedlich, daft John Dawson zu dem Urteil kam, Frankreich sei in der Gerichtsverfassung und dem Verfahrensrecht zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Jahre hinter England hergehinkt, während Deutschland weitere 200 Jahre hinter Frankreich ziiruckgeblieben sei.’^^ In England und in Frankreich bildete sich — wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten — ein ausgeprägter königlicher Absolutismus aus, der auch in die Arbeit der Königsgerichte eingriff — teils durch Ausbildung neuer Justizorgane, teils durch persönliche Akte des Herrschers. Das Justizsystem reagierte darauf mit einer Verstärkung und Sicherung der Normenordnung, weil die Berufung auf solche sicheren rechtlichen Entscheidungsgrundlagen königliche Eingriffe umso illegitimer erscheinen Heft. In England formte sich seit dem 16. Jahrhundert das Common Law als Case Law-System aus. In Frankreich propagierten die hohen Richter die Gesetze als Garantien eines festen monarchischen Staatssystems. In beiden Zu Conring: Hermann Conring (1606—1681). Beitrdge zu Leben und Werk, 1983 herausgegeben von Michael Stolleis, bes. S. 321 ff. Vgl. Franz Wieacker (Anm. 80) S. 323. weiter; Klaus Luig, Die Rolle des deutschen Rechts in Leibniz’ Kodifikationsplänen,7«s Commune, V, 1975, S. 56 ff. J. Dawson, A History ofLayJudges, Cambridge Mass. 1960, S. 94.

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