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42 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Reichshofrates gegeniiber der des Reichskammergerichts sichtbar Nach der Beendigung des „Rechtlichen Krieges“ benutzten die Habsburger nunmehr den Reichshofrat zur weiteren rechtlichen Absicherung ihrer gegenreformatorischen Politik. Zwei rechtliche Mittel hatte der Kaiser in der Hand, um auf die Arbeit des Reichskammergerichts Einflufi zu nehmen: — Ihmstand auch weiter das Evokationsrecht zu, wonach er jeden Prozef? zur persönlichen Behandlung an sich ziehen durfte.*^’ Davon machte er auch dann Gebrauch, wenn zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht streitig war, bei welchem Gericht der Prozefi zuerst anhängig geworden war, so dafi eigentlich die Zuständigkeit des anderen nicht mehr gegeben war. Damit konnte er die Stellung des Reichshofrates stärken, weil er anschliessend die weitere Behandlung diesem Gericht iibertrug, nachdem er den Prozefi durch Evokation an sich geholt hatte. — Der Reichsfiskal am Reichskammergericht — eine dem procureur général in Frankreich vergleichbare Institution — gab ihm die Möglichkeit, kaiserliche Interessen wahrzunehmen.'^^ Allerdings gelang dies nur in dem Umfange, in dem die verfassungsrechtliche Situation die Fiihrung solcher Prozesse und die Durchsetzung entsprechender Urteile zugunsten des Kaisers gestattete. Negative Beispiele in dieser Hinsicht sind die Monopolprozesse gegen Hochstetter, Fugger, Welser und Genossen, die Kaiser Karl V. auf Druck seiner Gläubiger niederschlagen mufite,'” sowie vor allem die Prozesse des Reichsfiskals, um bestimmte Stände als reichssteuerpflichtig zu beanspruchen.*^'* Da die höchsten Reichsgerichte niemals absolutistischen Zugriffen ausgesetzt waren, waren sie auch nicht Ziel zentraler aufklärerischer Justizkritik. Die Einwände gegen ihre Arbeit waren mehr technischer Natur: schwerfälliges Verfahren und dementsprechend zu lange Verfahrensdauer. Fiir den Reichshofrat forderten die Protestanten bis zuletzt die paritätische Besetzung mit Katholiken und Protestanten zu gleichen Anteilen. Dafi die Forderung nach Unabsetzbarkeit der Reichshofräte sich normativ verbindlich niederschlug, auch Smend (Anm. 121) S. 195 f. Smend (Anm. 121) S. 196. Buchda, Stichwort ,Jus evocandi", HRG. II, 1978, Sp. 495 ff. ZumReichsfiskal: Smend (Anm. 121) S. 359 ff. Zu den Monopolprozessen: F. Blaich, Die Reichsmonopolgesetzgebung imZeitalter Karls und ihre ordnungspolitische Problematik. Schriften z. V^ergleich von Wirtschaftsordnungen 8, 1976. Vgl. Bernhard Diestelkamp, Das Reichskammergericht imRechtsleben des 16. Jahrhunderts. In: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte, Festschr. f. Adalbert Erler zum 70. Geburtstag 1976, S. 439 ff.

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