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41 Dienst suspendiert. Obwohl sich alle Beteiligten einig darin waren, daft Ingelhelms Eigenmächtigkeit dem Gericht geschadet hatte, weckte dieses selbstherrliche Eingreifen des Kaisers das Mif^trauen der protestantischen Reichsstände, was umso unverständlicher war, als Ingelheim ein notorischer Protestantenhasser war.'"*'* Was vorher nicht zu erreichen gewesen war, gelang nunmehr: Nämlich die Stände dazu zu bewegen, der Einsetzung einer Visitationsdeputation zuzustimmen, die dann auch im Herbst 1707 zusammentrat und im Dezember 1713 ihre Arbeit mit umfangreichen Reformvorschlägen abschlofi.*"*^ War es somit fiir den Kaiser kaummöglich, mit Aussicht auf Erfolg auf die Assessoren des Reichskammergerichts Druck auszuiiben, indem er mit der Absetzung drohte oder sie gar wirklich absetzte, so waren ihmtrotz Trennung des Gerichts von seiner Residenz durchaus andere Möglichkeiten geblieben, um Einflul^ auf die Arbeit zu nehmen. Dies gelang ihm dann am besten, wenn die Reichsstände ihr Interesse am Reichskammergericht verloren, insbesondere sobald sie Geld zu seinemUnterhalt beisteuern sollten. Sie boten damit dem Kaiser die Ghance, das Gericht jedenfalls voriibergehend wieder ganz nur zu einem kaiserlichen zu machen. Dies war vor allem in der Reformationszeit der Eall, als es dem Kaiser mit Erfolg gelang, protestantische Assessoren vom Reichskammergericht zu vertreiben und fernzuhalten, so dal? das Speyerer Gericht zum Instrument des sog. „Rechtlichen Krieges“ gegen die Protestanten wurded"*^ Der Reichsabschied von 1529 hatte die beiden typischen Akte, mit denen die Reformation jeweils eingefiihrt wurde — nämlich die Anderung des Kultus in den Kirchen und die Einziehung der Kirchengiiter zugunsten der neuen kirchlichen Institutionen — unabhängig von der Art der Durchfiihrung als Landfriedensbriiche unter die Achtdrohung des Reichslandfriedens gestelltd'*^ Auf der Grundlage dieses Reichsabschiedes urteilte das Reichskammergericht nun in zahlreichen Fällen fiber Reformationseinfiihrungen mit dem Ergebnis, dafi der reformierende Reichsstand in die Acht erklärt wurde. Ein solcher Achtspruch schaffte die reichsrechtliche Legitimation fiir ein Vorgehen, wenn die politische Lage es gestattete, und wurde damit zur potentiellen Bedrohung fiir die Geächteten. Dal? am Ende dieser Phase des „Rechtlichen Krieges“ das Reichskammergericht nicht als rein kaiserliches Gericht zuriickblieb, war allein dem Umstand zu verdanken, dafi die ständischen Kräfte auch auf katholischer Seite eifersiichtig fiber die reichsständischen Rechte wachten. So gelang es dem Gericht, gegenfiber dem Kaiser wieder eine unabhängigere Stellung zu erringen. Symptomatisch daffir ist es, dal^ es sich gerade in der Mitte des 16. Jahrhunderts mehrfach ausdrficklichen Weisungen der Herrscher widersetzte. Smend (Anm. 121) S. 218 f. '■*' Smend (Anm. 121) S. 218 f., 219 f. bes. auch Anm. 3. Smend (Anm. 121) S. 137 ff. Smend (Anm. 121) S. 139 f. Smend (Anm. 121) S. 164 bes. Anm. 3. 148 148

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