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40 und sozialen Kräfte hinaus (die dazu beigetragen haben, sie zu bilden) und die konstante Form gewisser Orientierungen trotz Vielfalt und Unterschiede der räumlichen Gebiete. Wenn in Zonen, die zutiefst von feudaler Aderung sind, wie Nord- und Mittelfrankreich und Deutschland sich die Mentalität, die effektive Situationen prämiert, im Schema der feudalen ,tenure' inkarniert, produziert die gleiche Mentalität in Italien jene einzigartigen Friichte, die mittelalterliche Jocatio ad longumtempus\ das dibellum\ deren Ebene und juristische Ordnung völlig verschieden aber auf die gleiche Mentalität zuriickzufiihren sind und die den gleichen Nenner haben, den die Juristen ,geteiltes Eigentum' nennen. Die Bände der Agrargeschichte, das bekannte und verbreitete Werk Abels zum Beispiel,’’ sind voll von langen Expositionen der Grundeinkunftskurven und der Preise von Agrarprodukten. Diese Daten sind sicherlich nicht uninteressant, stellen aber dem Rechtshistoriker eine legitime Frage: Bis zu welchem Punkt beeinfluftten sie die Gewohnheits-Ebene, an die seit Jahrhunderten Eigentum, dingliches Recht, Beziehungen von Grundverleihungen verankert waren? Juristische Tradition und soziale Bräuche benötigen, umin ihrer kompakten Ordnung und ihrer gepriiften Undurchlässigkeit gebeugt zu werden, einen ganzen Komplex von Kräften der kontinuierlich auf die kollektive Mentalität einwirkt. Paradoxerweise — mit der Wahrheit jedoch, die alien Paradoxien eigen ist — können wir sagen, dafi die Bodenordnung eines bestimmten historischen Moments sehr viel mehr jene ist, die unsichtbar in der Luft dieses Momentes liegt, als das, was zwischen den Zeichen der sensiblen Agrarlandschaft eingeschrieben worden ist. 6.) Ein wichtiger methodischer Punkt ist die Notwendigkeit einer kritischen Nutzung des Speichers der Agrargeschichte. Der Rechtshistoriker glaube nicht, dort das Allheilmittel zu finden, das in der Lage ist, seine Anforderungen zu befriedigen. Denn Eigentum ist hauptsächlich Mentalität, eine Anhäufung von agrartechnischen Daten kann, in bestimmten Kontexten, sogar wegen des Kontrastes oder Aufienstehens oder nicht Ubereinstimmung mit dieser als geschichtlich herausfallendes Element fungieren. Zu dieser sakrosankten Einsicht miissen wir jedoch sofort eine weitere hinzufiigen, welche ein kritisches Verhalten fordert: unter einem anderen Aspekt kann die unkritische Nutzung der Agrargeschichte sich als herausfallend herausstellen, und ein zu sehr ins Besondere gehender Blick auf agrartechnische Daten und die äul^ere Seite (organisatorisch-strukturell) des Eigentums birgt das Risiko in sich, die juristische Dimension der realen Ordnung aus demAuge zu verlieren. Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur, Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter (1935).

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