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144 manische Familienrecht”, wie herkömmlicherweise formuliert wird. Die Wissenschaft des 19. und des friihen 20. Jahrhunderts hatte auf diesemFeld Gedankengebäude von beeindruckender juristischer Kunstfertigkeit und Geschlossenheit errichtet. Zu ihren Stiitzpfeilern gehörten — um nur drei Beispiele zu nennen - die Institutionen der Ehe und der (ehe- und hausherrlichen) Munt sowie der Rechtsverband der Sippe.^° Alle drei Stiitzpfeiler sind heute indes zumindest briichig geworden, nach verbreiteter Ansicht sogar eingestiirzt. Die Ehe gilt nach einem der mafigeblichen lexikalischen Werke gar nicht mehr als „vorrangige Institution”.^' Die herkömmliche Lehre von der hausherrlichen und besonders der eheherrlichen Munt erscheint nach einemanderen mal^geblichen Nachschlagewerk voller „Unklarheiten und Ungereimtheiten”.^’ Und von der Sippe steht wohl mit einiger Ubereinstimmung iiberhaupt nur noch fest, was sie entgegen der alteren Theorie nicht war: nicht Siedlungsverband, nicht generell normativ scharf umrissener Personenverband, nicht iiberall dominierend gegeniiber den Bindungen ohne blutsverwandtschaftliche Grundlage.^^ 2. Der Befund trifft nicht nur dieses eine Forschungsfeld. Ähnliches liefie sich zeigen fiir Herrschaft, Adel und Gefolgschaft fiir die Stammesstrukturen^^, die Dingversammlung^^ oder die persönliche Unfreiheit schliefilich und besonders fiir das germanische Verständnis von ,,Recht” iiberhaupt.^" Fast Vgl. fiir das herkömmliche Bild in jiingerer Zeit noch R. Hiibner, Grundziige des deutschen Privatreclits, 5. Aufl. 1930, S. 615 ff. u.ö.; Planitz/Eckhurdt, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl. 1961, 1962, S. 53 ff., 104 ff.; weitgehend auch noch H. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. I, 2. Aufl. 1962 S. 31 ff.; Mitteis, Lieberich, Deutsches Privatrecht 9, 1981, S. 53 ff. C. Schott, Art. Ehe, in; Lexikon des Mittelalters, Bd. Ill, Sp. 1629. W. Ogris, Art. Munt, in; HRG III, Sp. 757 f. Grundlegend fiir die neuere kntische Sicht F. Genzmer, Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, in; ZRGGerm. Abt. 67 (1950), S. 34 ff.; K. Kroeschell, Die Sippe imgermanischen Recht, in; ZRG Germ. Abt. 77 (1960), S. 1 ff. ZumStand der Kontroversen vgl. W. Schlestnger, Randbemerkungen zu drei Aufsatzen uber Sippe, Gefolgschaft und Treue, in; FS-O. Brunner, Alteuropa und die moderne Gesellschaft, 1965; K. Kroeschell, Haus und Herrschaft im friihen deutschen Recht, 1968; R. Wenskiis, Art. Adel, in; Hoops, Bd. 1, 2 Aufl. 1973, S. 58 ff.; ders.. Die neuere Diskussion iiber das Gefolgschaftswesen bei Tacitus, vorges. imTagungsband der 32. Tagung der Kommission fur die Altertumskunde Mittelund Nordeuropas der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 1986. Grundlegend fiir die neueren Sichtweisen R. Wenskus, Stammesbildung und Verfassung, 1961. Zuletzt mit erheblichen Korrekturen der alteren LehreJ. Weitzel, Dinggenossenschaft und Recht, 1985. Grundlegend fiir die Kritik der alteren Auffassung H. Nehlsen, Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter I, 1972. Ausgelöst insbes. durch Kritik und Korrekturen der Lehren F. Kerns (Uber die mittelalterliche Anschauung vom Recht, in; HZ 115 (1916), S. 496 ff.) schon durch O. Brunner, Land und Herrschaft, 1939, 6. Aufl. 1970 und hi. Krause, Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, in; ZRGGerm. Abt. 75 (1958), S. 206 ff.; weitergehend - kritisch vor allem gegeniiber dem Fortwirken älterer germanischer Rechtsanschauungen mit hochmittelalterlichem Rechtsdenken und darauf gestiitzte Ruckschliisse — K. Kroeschell, Recht und Rechtsbegriff im 12. Jahrhundert,

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