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104 schen Prophetismus, des Griechentums der Polis, des römischen Imperialismus und des Mittelalters, - und in der Herausarbeitung ihrer objektiven Periodisierung. Entscheidend war fiir Troeltsch dabei die Objektivität und Apriorität seiner Kultursynthese. Beide sind in der Tat als Voraussetzung der Uberwindung von Geschichte durch Geschichte unabdingbar. Die erkenntnistheoretischen und philosophischen Grundlagen einer solchen Kultursynthese versuchte sich Troeltsch letztlich in der Verkniipfung von Identitätsphilosophie und klassischer Metaphysik zu schaffen. Der ,,Schlussel” zur Lösung des Problems sei, so schreibt er, ,,die wesenhafte und individuelle Identität der endlichen Geister mit dem unendlichen Geiste und ebendamit die intuitive Partizipation an dessen konkretem Gehalt und bewegter Lebenseinheit”, in der Verbindung von „Erkenntnistheorie und Metaphysik”, von „konstruktiver Zusammendrängung des Gegebenen” und einem „Zuschu£ des Glaubens an eine im Gegebenen sich offenbarende göttliche Idee, die alle Universalgeschichte trotz fasL unmerklicher Ubergänge von der empirischen Entwicklungsforschung doch wesentlich und grundsätzlich unterscheidet”. Die Erkenntnis der Identität der endlichen Geister mit dem unendlichen Geiste wurzelt bei Troeltsch letztlich also in religiösen Uberzeugungen, in dem ,,Glauben an die imWirklichen durchdringenden Ideengehalte”.^^ Driickt man Troeltschs Absicht in Nietzsches Begriffen aus, so könnte man sagen, man finde bei Troeltsch den Versuch, die Historie in den Dienst des Lebens zu stellen, dabei aber den Wissenschaftscharakter der Histone aufrechtzuerhalten und die Objektivität ihrer Erkenntnisse ausdriicklich zu begriinden und zu behaupten. Troeltschs Ziel ist eine durch objektive Wissenschaft gewonnene Begriindung von Werten fiir das Leben. Der Gedanke der Unendlichkeit, Nietzsches Definition der Geschichtswissenschaft als ,,Wissenschaft des universalen Werdens” wird dabei notwendigerweise aufgegeben. Eben dieser Gedanke ist es aber, dem wir bei Max Weber wiederbegegnen, wo er, wie schon bei Nietzsche, zum Ausgangspunkt der Reflexion iiber Objektivitätsfrage und Wertproblem wird. V Eine Kultursynthese, wie sie Troeltsch 1922 skizzierte, hat Max Weber schon 1904 in seiner Abhandlung iiber ,Die ,,Objektivität” sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis’ ausdriicklich abgelehnt. Der „Gedanke, dafi es das, wenn auch noch so feme, Ziel der Kulturwissenschaften sein könne, ein geschlossenes Systemvon Begriffen zu bilden, in demdie Wirklichkeit in einer in irgendeinem Sinne endgiiltigen Gliederung zusammengefafit und aus dem heraus sie dann wieder deduziert werden könnte”, so erklärte Max Weber hier. Ebd. S. 677, 107, 692 f. S. unten Anm. 45.

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