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103 ohne logisch gesicherte Empiric ist ein Haus ohne Fundament”. Diese materiale Geschichtsphilosophie soil dann einmiinden in cine Ethik, sic hat cine ,,Mittelstellung zwischen empirischer Historic und Ethik”. Infolge solchen ,,Fortschreitens der Historic zur Ethik durch dieses geschichtsphilosophische Mittelglied hindurch” ist die „in ethische Zukunftsgestaltung auslaufende Geschichtsphilosophie” auf empirischer Historic begriindet; es geht um „die Konstruktion eines gegenwartigen und die nächste Zukunftsrichtung bestimmenden Kultursystems aus der Historic heraus”. Die ,,Praxis der Historiker” und ihr ,,Verkehr mit dem Gegenstand” haben demnach eine grundsatzliche Bedeutung. Troeltsch definiert den historischen Gegenstand durch den Begriff der ,,individuellen Totalität”, die ,,wegen ihrer noch eben bestehenden Ubersehbarkeit und relativen Geschlossenheit aus dem Flufi des Geschehens herausgeschnitten werden kann. Der Historiker folge dabei ,,einer in der Sache selbst liegenden Gliederungsmöglichkeit”. Die Objektivität dieser Erkenntnis ist schliefilich ftir Troeltsch in zwei Momenten begriindet, „einmal in einer aufmerksamsten, vorurteilslosesten Versenkung in die Tatsachen, in den ganzen Wirkungszusammenhang, dem wir angehören, und sodann in einer Herausbildung von Idealen dieses Kulturkreises aus dem tatsächlichen Leben”. Die Mal^stabbildung, ja sogar „alle Mafistabbildung gegeniiber historischen Dingen” entspringt insofern „aus dem eigenen Lebenszusammenhang, ist dessen Kritik und Weiterbildung zugleich”. Von daher gesehen lehnt Troeltsch deshalb einerseits Objektivität im Sinne von ,,Zeitlosigkeit und Unveränderlichkeit des Geltens” ab, weil das Denken zwar ,,in irgendeinem geheimen Bunde mit dem Realen stehen” miisse, ,,Einheit und Sinn des Ganzen” sich aber ,,nur ahnen und fiihlen, nicht wissenschaftlich ausdriicken und konstruieren” lassen. Andererseits gilt ihm der ,,Gottesgedanke, der als irgendwie vorausgesetzte Grundvorstellung der Dinge hinter allem Denken liegt”, als die Gewähr fiir die „zeitlose Unveränderlichkeit” der Maftstäbe. Und zugleich liegt der kulturphilosophischen Mafistabbildung auch die vorurteilsfreie empirische Erfassung der geschichtlichen Gegenstände in ihrer Ubersehbarkeit und relativen Geschlossenheit zugrunde, besteht Objektivität also in der immer besseren Erfassung der dem Historiker vorgegebenen individuellen Totalitäten, seinen Gegenständen. Das Mittel, mit dem Troeltsch sich den Weg zu bahnen versucht, war also die Uberwindung der Geschichte durch Geschichte (,,Die Idee des Aufbaues heifit Geschichte durch Geschichte iiberwinden”).^^ In diesemSinne skizzierte Troeltsch seine Kultursynthese, deren Grundziige das monumentale Buch von 1922 noch andeutet, während die Durchfuhrung des Gedankens in einem zweiten Band nicht mehr veröffentlicht werden konnte. Kultursynthese meint bei Troeltsch eine Darstellung der Universalgeschichte als Universalgeschichte der europäischen Kultur in der Darstellung ihrer Grundgewalten, des hebräiEbd. S. 772.

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