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102 die im selben Jahr erschienene pointierte Zusammenfassung der Fragen und Antworten in demAufsatz ,Die Krisis des Historismus’ hingewiesen.^^ Der Historismus als „die erstliche Durchdringung aller Winkel der geistigen Welt mit vergleichendem und entwicklungsgeschichtlich beziehendem Denken” ist, wie Troeltsch feststellt, die „eigentumliche Denkform” der Modeme.^* Ihre Folgen sind zum einen der generelle Relativismus als Zerstörung aller Wertsysteme und „Wert-Selbstverständlichkeiten” und insbesondere die Krisis der Historie, der Geschichtswissenschaft, welche zwei Dimensionen hat.^° Zum einen namlich „die Aufrollung der erkenntnistheoretisch-logischen Probleme der Historie”, die Frage nämlich, wie sich „die vomdenkenden Geiste nach seinen Gesetzen hervorgebrachte Ordnung zum wirklichen Wesen und Zusammenhang der Dinge selbst” verhalt, wie weit der Historiker ,,das reale Geschehen iiberhaupt erfassen und wiedergeben” kann. Es geht also um „die peinigende Frage nach der Objektivität” der Historie, „nach ihrer Entsprechung mit demwirklichen Verlauf” der Dinge.DieseFrage ist aufs engste verwoben mit dem Problem der „Erschutterung des ethischen Wertsystems sowohl in der Begriindung als imsachlichen Inhalt”. Das Zerbrechen der alten Wertordnungen sah Troeltsch sowohl als ein allgemeines Problem der Gesellschaft der Moderne als auch als ein Problem der Geschichtswissenschaft, der mit diesem Zerbrechen „das Steuer” entfiel, „mit dem sie den ungeheuren Lebensstrombefahren konnte”. Die Historie habe durch die ihr eigene umfassende Historisierung die Erschutterung der Werte angebahnt und sich damit zugleich jenes Leitfadens beraubt, von dem aus sie den Zusammenhang der Geschichte allein zu erfassen vermöge.^^ Die Aufgabe, die sich Troeltsch stellte, war also, vom „Historisch-Relativen den Weg zu geltenden Kulturwerten” wiederzufinden und damit zugleich die Objektivität geschichtlicher Erkenntnis neu zu sichern; - oder umgekehrt, durch wissenschaftlich gesicherte Werterkenntnis Werte neu zu begriinden. Dieses Unternehmen geht also den „Weg von der empirischen Historie, von der Geschichtslogik der tatsächlichen Forschung aus” zum „materialgeschichtsphilosophischen Ziel einer gegenwärtigen Kultursynthese”: die „Geschichtslogik ohne Konstruktion des universalen Prozesses ist ein Torso, lediglich eine logische Theorie der empirischen Historie; die Konstruktion E. Troeltsch, Die Krisis des Historismus, in: Die Neue Rundschau 1 (1922), S. 572-590. Ebd. S. 573. ’’ Ebd. S. 584. Einen weiteren Aspekt des Problems sah Troeltsch in der Einfvihrung des soziologischen Elements in die historische Forschung, ebd. S. 579 ff. Ebd. S. 577ff. Ebd. S. 582 ff. E. Troeltsch, Meine Bucher (1922), wieder abgedr. in: ders., Aufsatze zur Geistesgeschichte (wie Anm. 26), S. 14. Die folgenden Zitate: Troeltsch, Historismus, S. 29, 31, 34, 70 f., 79 f., 82 f., 116, 169, 181 ff.

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