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116 Zusammenfassung Gewalt, Verleumdung und Vergleiche in Stockholm 1475-1625 In den letzten beiden Jahrzehnten hat die Kriminalität, sowohl international als auch in Schweden, ein zunehmend grofies Interesse der Historiker auf sich gezogen. In der schwedischen Forschung hat sich das Interesse vor allem auf die relativ möderne Zeit gerichtet, oft in Verbindung mit dem Durchbruch des Industrialismus oder des Kapitalismus. Seit 1985 leitet Prof. Eva Österberg ein Forschungsprojekt, das die Untersuchung der Kriminalität in Schweden auch in der friiheren Zeit zumZiel hat. ImRahmen dieses Projektes wurde die Kriminalität in Stockholm in der Zeit von 1475 bis 1625 untersucht. Die Studie umfafite die gesammelten, registrierten Straftaten in Stockholm, wobei sich das Interesse auf Gewalt- und Verleumdungsdelikte konzentrierte — zwei Deliktskategorien, die auch Raumfiir Reflektionen und Beobachtungen geben, die fiir das Studium der Kriminalität im Allgemeinen relevant sind. Die Kriminalität in den schwedischen Städten im Spätmittelalter und der friihen Neuzeit ist noch immer ein recht unbearbeitetes Feld. In dem MaBe, in dem die Kriminalität in schwedischen Städten untersucht oder kommentiert wurde, stellten sich doch Gewaltverbrechen als die bedeutendste Deliktskategorie heraus. Das entspricht auch dem Bild, das europäische Untersuchungen fiir die entsprechende Zeit in der Regel geben. Gewaltkriminalität wurde in vielen fällen dafiir ausersehen, imVordergrund des Studiums der Kriminalität im Mittelalter und der friihen Neuzeit zu stehen. Es ist auch eine verbreitete Auffassung, daft die Gesellschaft friiherer Zeiten mehr gewaltgeprägt war als die moderne. Viele Historiker meinen sogar, es könne ein älteres Deliktsmuster nachgewiesen werden, das sich auf eine markante Weise von einemmodernen Deliktsmuster dadurch unterscheidet, daB in der friiheren Kategorie Gewaltverbrechen eine bedeutend gröfiere Rolle spielen. Bereits zu Beginn der sechziger Jahre stellten französische Forscher die These auf, dal^ eine Entwicklung von der Gewalt hin zu Diebstahlsdelikten stattgefunden habe - „de la violence au vol“. Ein älteres Deliktsmuster mit einem grofien Anteil von Gewaltstraftaten im Verhältnis zu Eigentumsdelikten soli nach und nach von einemmodernen Deliktsmuster mit einem relativ geringen Anteil an Gewaltstraftaten imVerhältnis zu Eigentumsdelikten ersetzt worden sein. Die Allgemeingiiltigkeit dieser These kann freilich in Frage gestellt werden. Die These entstand als Verallgemeinerung des Ergebnisses einer Untersuchung, die auf sehr begrenztem Material basierte, und eine Reihe späterer

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