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ZuMFortwirken von Pufendorfs Naturrechts-Lehre theologischer Bevormundung, zielten gleichermaBen auf allgemeine Gliickseligkeit und Regelung der Welt dutch die weltlichen Instanzen. Wie schon im protestantischen Reich waren auch hier vielfach die Landesherren die treibenden Kräfte, die die reformwilligenunter ihren Gelehrten stiitzten und schiitzten. Freilich konnten sie abet nicht bedingungslos oder unbesehen die protestantischen Errungenschaften iibernehmen. Die Grundlagen ihrer Territorien bzw. Länder ruhten z.T, auf Traditionen auf, die eine sehr weitgehende Mundanisierung aller wissenschaftlichen Materien ausschlossen. Die Religion, oder anders gewendet: die Konfession war z.B. nicht nur fiir die geistlichen Staaten eine Bedingung ihrer Existenz. Auch Bayern und noch entschiedener österreich hatten in ihr einen wesentlichen Teil ihrer politischen Existenz.^"* In österreich band —neben und nach der Dynastie selbst, naturlich —die Kirche die vielen Länder in eins zusammen. Hieran zu stark zu riitteln, konnte, ja muBte fiir das Gemeinwesen insgesamt gefährlich werden und setzte von da der Mundanisierung und „Historisierung“ gewisse Grenzen. Es erklärt das iibrigens, daB im katholischen Reich die Lehre Christian Wolff’s entschieden nachhaltiger rezipiert wurde, gerade auch bei den Juristen, als in den protestantischen Territorien. Entgegen einem herrschenden Vorurteil war sie nämlich da, wie bereits erwähnt, keineswegs sehr weitgehend, schon gar nicht im Inhaltlichen! Nicht zuletzt Wolff’s Naturrechts-Lehre fand jedoch Eingang an katholischen Universitäten.'*® Uberhaupt, so ist mit Nachdruck festzustellen, behielt hier das Naturrecht eine wichtige, um nicht zu sagen iiberragende Rolle innerhalb der aufgeklärten Reformen. Es behielt die Stellung, die Pufendorf ihm zugedacht und seine friihen Anhänger vertreten hatten. Naturlich wurden innerhalb der juristischen Fakultäten auch andere verjiingte Materien mit iibernommen. Nicht nur das jus circa sacra, das Jus Canonicum, das Straf- ProzeB- und Lehenrecht, die Praxis, die ars legislatoria, das Jus patrium, das jus camerale und eben auch das Jus publicum Romano Germanicum wurden hier nach protcstantischem Muster rezipiert. Ja, man benutzte vielfach die dort vorhandenen Compendien, bildete die eigenen Studenten so aus, daB auch sie erfolgreiche Laufbahnen in administrativen, diplomatischen oder reichsgerichtlichen Diensten einzuschlagen vermochten. Was aber — und das ist das Eigentiimliche katholischer aufgeklärter Reform — anders als im Halle/Göttingischen Umkreis war, ist der Umstand, daB das Naturrecht die reformerische Leitdisziplin mit und vor dem jus publicum blieb. Es war die entscheidende, unmittelbare „ModerniFiir Bayern vgl. die Abschnitte in: M. Spindler, Handbuch d. bayer. Gesch., Bd. II, Miinchen 1966. Fiir österreich auBer Matsche, a.a.O. auch A. Coreth, Pietas Austriaca, Miinchen 1982-. Aufklärung und katholisches Reich; ferner die Abhldgn. Anm. 36. 45

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