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Hans Thieme 10 tragen hat. Andreas Bertalan Schwarz schrieb 1921 in seinem beriihmten, bis heute immer wieder als grundlegcnd anerkannten Aufsatz ,Zur Entstehung des modernen Pandektensystems' dariiber Folgendes:-^ ,Es war die besondere Eigenart, in der der naturrechtliche Gedanke in der deutschen Wissenschaft sich auslebte, ein System des ius naturae zu erstreben. Ungehemmt von jedweder positiver Quelle, auf den rationalistischen Ausbau eines die gesamte Rechtswelt umfassenden Ganzen gerichtet, hatte hier das systematische Bestreben freien Weg. Von Samuel Pufendorf ist dies System geschaffen worden. Wohl ist in seinem privatrechtlichen Teil auch dieses stark von der hergebrachten romanistischen Weise beeinfluBt, aber doch eigenartig und neu, sowohl im zu Teil freilich nur fluchtigen Ausbau der einzelnen Teile, wie infolge der Einstellung in den Zusammenhang eines viel umfassenderen Ganzen. Dieses Pufendorfsche System ist in vieler Hinsicht grundlegend geblieben fiir die ganze weitere Entwicklung der naturrechtlichen Jurisprudenz.‘ Zu diesem hohen Verdienst um die Systematik des Zivilrechts kommen solche um zahlreiche Einzelfragen des Allgemeinen Teils, des Schuldrechts und namentlich des Familienrechts. In der Lehre vomRechtsgeschaft, vom Irrtum, von der Geschäftsgrundlage, von der clausula rebus sic stantibus, vom Schadensersatz sind Pufendorfs Auffassungen, die zwar durch das damals geltende römisch-gemeine Recht, das Recht des usus modernus Pandectarum vielfach abgestiitzt wurden, aber ebenso vielfach iiber dasselbe hinausgingen, fiihrend gewesen fiir die kiinftige Entwicklung des Privatrechts bis zu den Kodifikationen.-^ Als Beispiel fiir die amiisante und lebendige Darstellung Pufendorfs sei hier folgendes zitiert:-^ ,Bei vertretbaren Sachen‘ — res fungibiles, bekanntlich ein von deni Freiburger Flunianisten-Juristen Ulrich Zasius geprägter Begriff — ,gibt es einen ordentlichen und einen auBerordentlichen Gebrauch. Der letztere kann darin bestehen, daB jemand nur den Anschein bei einem anderen erweeken will, uppig mit solchen Dingen ausgestattet zu sein. Zum Beispiel haben alte Leute, welche die Liebe junger Mädchen gewinnen wollen, groBen Nutzen davon, fiir reich gehalten zu werden, weshalb jemand, der nicht viel Geld hat, sich von eineni anderen welches borgt nur, uni es in seinem Koffer vorzeigen zu konnen, wenn er seine nach Schätzen gierige Freundin besucht. Hier ist das Geld nicht ins Eigentum des Besitzers iibergegangen; er muB Ztschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch., Roman. Abt. 42. Bd., Weimar 1921 S. 578 ff., 584; jetzt wieder abgedruckt in dem Sammelband A. B. Schwarz, Rechtsgeschichte und Gegenwart, hg. v. H. Thieme u. F. Wieacker, Karlsruhe 1960. AuBer dem bereits angefiihrten Schrifttum vgl. hierzu auch noch die beiden masch.- schriftl. Göttinger Diss. von Walter Pennrich, Der Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht des 17. und 18. Jahrhunderts (1952) und von Herbert Wenn, Das Schuldrecht Pufendorfs (1956). =5 DJNGV,7,2.

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