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PUFENDORF UND UNSERE ZeIT 7 die Jurisprudenz, den wir —durchaus in Anlehnung an die Vorbilder der Antike und auch des Mittelalters, zum Beispiel in der spanischen Spatscholastik —mit dem Naturrechtsdenken vollzogen, den wir im 19. Jahrhundert unter den EinfluB der Historischen Rechtsschule zeitweilig verleugnet und in der Zeit des Positivismus zumTeil erbittert bekämpft haben, den wir heute aber wieder zu erkennen und uns zu eigen zu machen vermögen, wobei uns eben solche groBe, bedeutende Vorbilder wic Samuel von Pufendorf den Weg weisen.^® 3. Öffentliches Recht Wir haben oben bereits einige Fragen angesprochen, die eng mit dem öffentlichen Recht verzahnt sind, so etwa den Gleichheitsgrundsatz. Man spricht heute immer viel von der ,Chancengleichheit‘, die gewährleistet werden miisse, zum Beispiel im Bereich von Schule und Bildung. Aber ist diese Forderung iiberhaupt erfiillbar? Die natiirliche Gleichheit der Menschen vor demGesetz, zu der wir uns imAnschluB an Pufendorf bekennen, bedeutet ja ebcn keinc Gleichartigkeit aller Menschen, und es ist und bleibt unsere Aufgabe, ihrer natiirlichen Ungleichheit Rechnung zu tragen —zum Beispiel, indem wir Begabungen fördern, wo immer wir sie antreffen, tiichtigen Menschen den Weg öffnen zu einer Ausbildung und beruflichen Tätigkeit, die ihrer Anlage entspricht, ohne Riicksicht auf Standesinteressen und Fferkunft. Aber Gleichmacherei, das heiBt unnaturliche Gleichbehandlung von Ungleichen, was sich dann häufig nur mit einer Anpassung des Niveaus auf der untersten Stufe verwirklichen läBt, kann nicht unsere Aufgabe sein. Das ist vielerorts verkannt worden und hat in der Bundesrepublik Deutschland auf Schulen und Flochschulen schon seit dem Ende der sechziger Jahre nachteilige Folgen gezeitigt. ,Chancengerechtigkeit‘, nicht ,Chancengleichheit‘ sollte es also heiBen!^^ Wir finden bei Pufendorf eine Fiille von Vorstellungen aus dem Bereich des offentlichen Rechts, des Staates, der Gesellschaft. Er hat darin —um mit dem jiingst verstorbenen Bonner Staatsrechtler Ulrich Scheuner zu sprechen, dem wir ein schönes Lebensbild Pufendorfs in dem Sammelwerk ,Die groBen Deutschen' verdanken —, den Weg zu der Humanitat und den Menschenrechten des 18. Jahrhunderts' bereitet.^^ ,Gerade in dieser lebendigen Einschatzung der Wurde jedes Menschen wirkt bei Pufendorf Dariiber siehe auch den im Lit.-Vcrz. erwähntcn Vortrag von H. Thieme, Naturrecht und römisches Recht, Firenze 1977. Kritisch zum Ausdruck ,Chancengleichheit‘ äuBert sich auch Chr. Starck auf S. 70 in dem unten genannten Sammelband uber den Gleichheitssatz (Leibholz-Symposion). Vgl. S. 128 der im Lit.-Verz. angefiihrten Biographic.

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