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75 philosophische Fakultät ist diejenige, die dazu jederzeit geriistet sein Umdas Verhältnis zwischen den streitenden Parteien in demgesetzmäfiigen Streit der Fakultäten näher zu verdeutlichen, ist es notwendig, die Grenzen fiir die Fähigkeit der unteren, durch die Rolle der philosophischen Kritik im Erkenntnisprozefi eigentlich der oberen Fakultät, das Handeln der iibrigen Fakultäten zu kontrollieren, zu untersuchen. Die Vertreter der philosophischen Fakultät hatten imVerhältnis zu den historisch begriindeten Lehren recht, wissenschaftliche Kritik zu iiben, wann immer diese den Anspruch darauf erhoben, rationale Aussagen zu treffen. Das dieses Kants Auffassung in Der Streit der Fakultäten war, geht deutlich aus folgendemZitat hervor: „Wenn die Quelle gewisser sanktionierter Lehren historisch ist, so mögen diese auch noch so sehr als heilig dem unbedenklichen Gehorsam des Glaubens anempfohlen werden: die philosophische Fakultät ist berechtigt, ja verbunden, diesem Ursprunge mit kritischer Bedenklichkeit nachzuspiiren. 1st sie rational, ob sie gleich im Tone einer historischen Erkenntnis (als Offenbarung) aufgestellt worden, so kann ihr (der untern Fakultät) nicht gewehrt werden, die Vernunftgriinde der Gesetzgebung aus dem historischen Vortrage herauszusuchen und iiberdem. . . zu wiirdigen. Aber die Fähigkeit der Vernunft, die Argumentation der oberen Fakultäten zu untersuchen, hatte indessen eine bestimmte Grenze. Die wissenschaftliche Kritik beschränkte sich darauf, sich auf die formale Seite der Erkenntnis zu beziehen, deren Inhalt wurde von der Kontrollfunktion der philosophischen Fakultät nicht beriihrt. Gewift war es der kritischen Vernunft möglich, die Position zu wechseln und dadurch einen Ausgangspunkt fur eine vernunftsgemäfte Systematisierung des Inhaltes zu finden. Der Ståndpunkt, den die kantianisch konzipierte Vernunft in den Schriften Kritik der Urteilskraft und Die weltbiirgerliche Ahsicht einnimmt, entspricht einer solchen Veränderung des Standpunktes. Hierdurch wurde nämlich angenommen, daI5 die materielle Einheit der Erkenntnis prinzipiell mit der architektonischen Struktur der Vernunft iibereinstimmt. Aber dieser Vernunftsstandpunkt, der die wissenschaftliche Argumentation dahin ausdehnte, daft sie auch auf die materielle Seite der Erkenntnis anwendbar war, wurde von Kant mit einem kritischen Vorbehalt versehen. Es ist, meinte Kant, zwar fiir Wissenschaftler möglich, die materielle Systematik als eine Einheit, ganz in einer Vernunftsidee gegriindet, aufzufassen, aber diese rationale Einheit in der empirischen Vielfalt kann nur von einem fiir die menschliche Vernunft fast verborgenen Prinzip gebildet werden: „Man kann annehmen, daft alle kiinstlichen Einrichtungen, welche eine Vernunftidee (. . .) zum Grunde haben, die sich an einem Gegenstande der Erfahrung (dergleichen das ganze gegenwärtige Feld der Gelehrsamkeit) praktisch be- “ 25 AaO. S. 343. AaO. ibidem.

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