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76 weisen soil, nicht durch blofi zufällige Aufsammlung und willkurliche Zusammenstellung vorkommender Fälle, sondern nach irgend einem in der Vernunft, wenn gleich nur dunkel liegenden Prinzip und darauf gegriindetem Plan versucht worden sind, der eine gewisse Art der Einteilung notwendig macht. Es war die Absicht, mit der Konstruktion eines materiellen Vernunftsstandpunktes, eine gewisse, begrenzte Anleitung fiir die Bearbeitung der empirischen Vielfalt zu geben. Damit, behauptete Kant, wiirde es sogar möglich sein, beim Aufbau der Universität, zumBeispiel bei der Fakultätseinteilung, ein gewisses MaB an VernunftsmäBigkeit einzulesen.^^ Diese Bestimmung der formålen und materiellen Einheit in dem groBen System der Wissenschaft spiegelte sich zweifelsohne in Kants Auffassung iiber den Grund der Fakultätseinteilung wider. Durch den materiellen Vernunftsståndpunkt wurde die Aufteilung von einzelnen Disziplinen in verschiedene Zweige, die die ausschlieBlich reflexionsphilosophische Vernunft als nur von zufälliger Art auffafite, zu einer wenigstens teilweise philosophisch notwendigen Einteilung verwandelt: „Aus diesem Grunde kann man annehmen, dafi die Organisation einer Universität in Ansehung ihrer Klassen und Fakultäten nicht so ganz vomZufall abgehangen habe, sondern dafi die Regierung, ohne deshalb eben ihr friihe Weisheit und Gelehrsamkeit anzudichten, schon durch ihr eignes gefiihltes Bediirfnis (vermittelst gewisser Lehren aufs Volk zu wirken) a priori auf ein Prinzip der Einteilung, was sonst empirischen Ursprungs zu sein scheint, habe kommen können, das mit dem jetzt angenommenen gliicklich zusammentrifft; wiewohl ich ihr darum, ob sie fehlerfrei sei, nicht das Wort reden will. “ 26 «28 Die Auffassung, dafi diese Leistungen sich doch in den Grenzbereichen der wissenschaftlichen Argumentation befinden, wird durch das Prinzip, das in Der Streit der Fakultäten eine angenommene rationale Einheit in der Fakultätseinteilung schafft, bestärkt. Die objektive Bestimmung des Nutzens, den die Tätigkeit einer einzelnen fiir ausgewählte äuBere Interessen haben kann, bildet den vernunftsmäl^igen Grund fiir die Abgrenzung und den Rang dieser Fakultät. Die materielle Systematik an sich - hierzu rechnete Kant auch deren Realisierung in den Organisationen der Universität — konnte dennoch nicht in ihrer Gesamtheit auf wissenschaftliche Kriterien gegriindet werden. Dieser Zug in der kantianischen Erkenntnistheorie, durch den den formålen und den materiellen Seiten der Erkenntnis eine unterschiedliche erkennntistheoretische AaO. S. 330 f. Dabei bedenke man Kants Auffassung, dal^ es notwendig ist, die Erkenntnisarten, die von verschiedenen „Quellen“ herriihren, klar voneinander getrennt zu halten. Vgl. Ritschl, „System“ und systematische Methode in der Geschicbte des leissenschaftlichen Sprachgebrauchs und der pbilosopbiscben Terminologie, Sp. 70 f. Damit war die Fakultatsemeinteilung, sowohl die sozusagen qualitative Aufteilung der Fakultäten in „untere“ und „obere“ als auch die Grenzen, die aus den „Buchern“ der „oberen“ Fakultäten hervorgehen, aus Kants Blickwinkel völlig begriindet. Kant, aaO. S. 331.

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