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74 lich zu sagen, doch darauf bedacht zu sein, dafi alles, was, so gesagt, als Grundsatz aufgestellt wird, wahr sei. Das Verhältnis zwischen der unteren und den oberen Fakultäten, das die Konzeption von der philosophischen Kritik mit sich brachte, hatte immer noch den Charakter eines Streites zwischen prinzipiell entgegengesetzten Interessen. Da{5 der Streit nach den eigenen Gesetzen der Vernunft gefiihrt wurde, bedeutete jedoch, im Gegensatz zu dem gesetzwidrigen Streit der Fakultäten, dafi er allein durch das Urteil der Vernunft beigelegt werden konnte. Die philosophische Kritik wurde von Kant folglich ausdriicklich als der Prozefi aufgefalk, der in dem Urteil der wissenschaftlichen Vernunft kulminiert, durch das jede theoretische Meinungsverschiedenheit aufgelöst wird:'' „Dieser Streit kann und soli nicht durch friedliche Ubereinkunft (amicabilis compositio) beigelegt werden, sonder bedarf (als Prozefi) einer Sentenz, d.i. des rechtskräftigen Spruchs eines Richters (der Vernunft); denn es konnte nur durch Unlauterkeit, Verheimlichung der Ursachen des Zwistes und Beredung geschehen, dafi er beigelegt wiirde, dergleichen Maxime aber demGeiste einer philosophischen Fakultät, als der auf öffentliche Darstellung der Wahrheit geht, ganz zuwider ist.“ Das Urteil der Vernunft iiber die verschiedenen Standpunkte in einemwissenschaftlichen Streit darf jedoch nicht als eine isolierte und endgiiltige Handlung gedeutet werden. Die Tätigkeit der höheren Fakultäten w'ar, nach Kant, dem Grunde nach von der philosophischen Reflexion geschieden. Diese Klasse von Fakultäten strebte ständig nach Macht, auch wenn dies bedeutete, dal5 sie gezwungen wurde, jeden Anspruch auf wissenschaftliche Selbständigkeit aufzugeben. Durch diese Abhängigkeit der Fakultäten davon, zuvorderst niitzlich zu sein, wurde das wissenschaftliche Interesse unaufhörlich mit anderen, äufieren Riicksichten konfrontiert. Es war Aufgabe der Philosophie, das wdssenschaftliche Element im Erkenntnisprozefi zu schiitzen, und - mit Kants Worten — „folglich kann die philosophische Fakultät ihre Riistung gegen die Gefahr, womit die Wahrheit, deren Schutz ihr aufgetragen ist, bedrohet wird, nie ablegen, weil die obere Fakultäten ihre Begierde zu herrschen nie ablegen werden“.^^ Der gesetzmäftige Streit konnte infolgedessen „nie aufhören, und die AaO. S. 342 f. Vgl. Schroder, aaO. S. 145 f. („Die Bedeutung der Forderung nach Wissenschaftlichkeit"), Fn. 68-70, sowie insbes. Fn. 71 beziiglich der vcranderten Auffassung iiber die Rangordnung der Fakultäten, die vor allem in Kants Streit der Fakultäten ihren Ausdruck land. Beachte auch Schröders Verweisungen, vor allem auf Wieacker, Franz: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 348 f., S. 368 und S. 370, sowie Bake, Uwe: Die Entstehung des dualistischen Systems der Junstenausbddung in Preujlen, S. 72-120: „Dies gilt auch fiir die Wissenschafthchkeit als malsgebendes Kriteriumdes akademischen Unterrichts. Weil diese Argumentation heute so geläufig ist und selbstverständlich erscheint, wird leicht iibersehen, dafi erst durch die neue Bildungsidee der Gesichtspunkt der Wissenschaftlichkeit zumentscheidenden Grund fiir den Aufbau der Universität und des Studiums wurde“. Kant, aaO. S. 343. AaO. S. 344. «20

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