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73 chen Ambitionen zu beurteilen, kam nur einer Fakultät zu — der Fakultät, in der die Vernunft frei Regeln fiir die Tätigkeit aufstellte.’^ Die Aufgabe der philosophischen Fakultät war es, nach Kants Auffassung, durch wissenschaftliche Kritik das wirkliche Verhältnis zwischen inneren und aufieren Zwecken in der Erkenntnis zu bestimmen. Fine wohlfunktionierende untere Fakultät war damit, stellte Kant fest, eine Voraussetzung ftir das innere Leben der Universität: „Auf einer Universität mufi aber auch ein solches Departement gestiftet, d.i. es mufi eine philosophische Fakultät sein. In Ansehung der drei obern dient sie dazu, sie zu kontrollieren und ihnen eben dadurch niitzlich zu werden, weil auf Wahrheit (der wesentlichen und ersten Bedingung der Gelehrsamkeit fiberhaupt) alles ankommt; die NUtzlichkeit aber, welche die oberen Fakultäten zum Behuf der Regierung versprechen, nur ein Moment vomzweiten Range ist. Aus der Kompetenz der unteren Fakultät, die Erkenntnisproduktion der oberen Fakultäten zu kontrollieren, ging die wahre Priorität zwischen den verschiedenen Argumentationsgriinden hervor. Von dem wissenschaftlichen Interesse mufite angenommen werden, daft es einen höheren Rang und Wert als das Niitzlichkeitsargument hatte. Diese Anwendung des Argumentationsgrundes ,,Forderungen der Wissenschaft“ setzt natiirlich voraus, dal? es iiberhaupt möglich ist, die Eigenart und die Kriterien der wissenschaftlichen Tätigkeit philosophisch zu bestimmen. Erst durch die Emanzipation der menschlichen Vernunft war es möglich geworden, diese Eigenart autonom als ,,Prinzipien des Denkens iiberhaupt" zu definieren, oder mit anderen Worten, als die formellen Kategorien. Damit wurde das Verhältnis zwischen dem Ausdruck der philosophischen Erkenntnis, der unteren Fakultät, und den iibrigen Disziplinen verändert. Der gesetzwidrige Streit der Fakultäten löste sich in der Fähigkeit der philosophischen Fakultät, die Lehren der oberen Fakultäten kritisch zu untersuchen und zu beurteilen, auf. Die „kopernikanische“ Wende in der Philosophie hob den Streit der Fakultäten zwar nicht auf, aber sie veränderte dessen Charakter; „Weil indessen die Wahrheit derselben ihr [jeder einzelnen der oberen Fakultäten] durchaus nicht gleichgiiltig sein darf, in Ansehung welcher sie der Vernunft (deren Interesse die philosophische Fakultät zu besorgen hat) unterworfen bleiben miissen, dieses aber nur durch Verstattung völliger Freiheit einer öffentlichen Priifung derselben möglich ist, so wird, weil willkiihrliche, obzwar höchsten Orts sanktionierte, Satzungen mit den durch die Vernunft als notwendig behaupteten Lehren nicht so von selbst immer zusammenstimmen diirften, erstlich zwischen den obern Fakultäten und der untern der Streit unvermeidlich, zweitens aber auch gesetzmäfiig sein, und dieses nicht blofi als Befugnis, sondern auch als Pflicht der letzteren, wenngleich nicht die ganze Wahrheit öffentu 19 Siche .laO. S. 337: „das Vermögen, nach der Autonomie, d.i. frei (Prinzipien des Denkens iiberhaupt gemäfi), zu urteilen, die Vernunft". AaO. S. 338.

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