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24 und von ihr mufi gesagt werden können: nil actum reputans, si quid superesset agendum. Der Umsturz imphilosophischen Denken, der den Begriff und die erkenntnistheoretische Bestimmung der freien Wissenschaft hervorgebracht hat, hatte es der Metaphysik unmöglich gemacht, ihre Bestimmung zu erfiillen — die Wissenschaft der Wissenschaften zu sein.^^ Stattdessen war die freie Wissenschaftlichkeit, geprägt von demkantischen Vernunftsstandpunkt, zu einer allein formellen und stillstehenden theoretischen Bestimmung der Erkenntnis geworden, ohne eigentliche Relevanz fiir die Ausiibung der praktischen, objektgeprägten Disziplinen. « 58 Das grofie Systemder Wissenschaft Die unauflösliche Gegensätzlichkeit - diese, stellte Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling fest, machte den am meisten ins Auge fallenden und charakteristischsten Zug in der kantianischen Erkenntnistheorie aus. Es schien, als ob ein Zustand von konstantemAntagonismus den modus vivendi der kritischen Vernunft prägte: „Der blo{5 reflektirende Verstand begreift nur einfache Reihen und die Idee, als Synthesis von Entgegengesetzten, als Widerspruch. « 59 Kant, aaO. S. 26. Die Tatsache, dal? die kantianische Metaphysik den Anspruch an die Grund- und Hauptwissenschaft nicht erfiillte, bildete ein hauptsächliches Thema in der Kritik der nachkantianischen Idealisten an der „blol?“ reflexionsphilosophischen Vernunftsposition, siehe dazu Schroder, J., aaO. S. 95 f. und Fn. 91 sowie Ritschl, aaO. Sp. 73-90. Ritschl machte geltend, dal? besonders Reinhold, unter dem Druck der empiristischen Kritik an den philosophischen Systembildungen, auf die Notwendigkeit eines Grundsatzes fiir das Systemder Wissenschaft imgrol?en aufmerksam machte: „Dieser Grundsatz nun, ,von welchemdie Einheit aller von einemGegenstande der Ertahrung möglichen metaphysischen Erkenntnisse, die systematische Einheit, die wissenschaftliche Form und der Rang der Metaphysik als phdosophische Wissenschaft abhangt*, ist, obwohl er ,an der Spitze aller Grund-, Lehr- und Folgesätze der Metaphysik der sinnlichen Natur steht, alle Erweislichkeit derselben' begriindet und ,den Umfang (das Gemeinschaftliche des Inhalts) der Wissenschaft* bestimmt, doch nicht in dieser Wissenschaft seibst und durch sie erweislich. So aber kann auch die Metaphysik nicht eher allgemeingiiltig sein, ,bevor nicht dasjenige, was ihrem Fundamente zu Grunde liegt, in allgemein geltenden Grund-, Lehr- und Folgesatzen feststeht, oder, welches eben so viel heil?t, bevor nicht die Propaedeutik der Metaphysik seibst zur Wissenschaft des Erkenntnisvermögens erhoben worden ist“‘. Dieser Gedankengang land einen noch deutlicheren Ausdruck in Fichtes Schrift Uber den Begriff der Wissenschaftslehre, wc) der Verfasser feststellte, dal? alle einzelnen Wissenschaften sich eine systematische Form, begriindet in einemhöchsten und einheitsschaffenden Satz, aneignen miibten: „Eine allgemeine Wissenschaftslehre hat also die Verbindlichkeit auf sich, fiir alle möglichen Wissenschaften die systematische Form zu begrunden** und „die Wissenschaftslehre soil . . . nicht nur sich seibst, sondern auch alien möglichen iibrigen Wissenschaften ihre Form geben und die Giiltigkeit dieser Form fiir alle sicher stellen**, zit. nach Ritschl, aaO. Sp. 80 f., Fn. 1. Die kantianische Metaphysik erfullte diese Forderungen an eine wissenschafthche Grundwissenschaft offenbar nicht. Diese V'erschiedenheit im erkenntnistheoretischen

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