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127 sogenannte philosophische Rechtslehre — aus, und diese Summe von abstrakt aufgestellten römischen Rechtsbegriffen wurde, nach Savignys Meinung, als eine Art wissenschaftlicher Subsidiärquelle fiir die Ergänzung der positiven, unwissenschaftlichen Jurisprudenz ausgenutzt.^* Die von Kant beeinfluftten Juristen fasten sich daher selbst nicht in erster Linie als Juristen, sondern vielmehr als Philosophen auf: ,,freie Rechtslehrer, d.i. die Philosophen".^^ Die Methodik innerhalb der objektbestimmten Disziplinen bleib somit auch nach dem Durchbruch der kantianischen Erkenntnistheorie willkiirlich und von äufieren imStoff verborgenen Zwecken beherrscht. Die wissenschaftliche Vernunft wurde in dem Mafie wie keine Versuche, den juristischen Stoff philosophisch zu bearbeiten, gemacht wurden, widerstandslos in zufällige Richtungen, ,,nicht wie wir wollen", getrieben. Reduziert dazu eine Wissenschaft ohne Inhalt zu sein, mufite der philosophische Grund als ein isolierter Uberbau zu den stoffbeherrschten positiven Aggregaten angesehen werden. Zwischen sowohl dem kantianischen als auch dem wolffianischen Naturrecht und der positiven Jurisprudenz bestand ein Gegensatzverhältnis — eine qualitative Unvereinbarkeit —, die es prinzipiell unmöglich machte, einen juristischen Stoff wissenschaftlich zu behandeln. Der Gegensatz zwischen der wissenschaftlichen Methode und den objektbestimmten Wissensarten wurde durch die kopernikanische Wende in der Philosophie nur noch weiter verschärft. Das Resultat der wissenschaftlichen Bearbeitung war dabei nur eine Subsidiärquelle zu der im Grunde unwissenschaftlichen und objektgeprägten Rechtswissenschaft. Das Naturrecht, zu einem derartigen Dekorum auf der praktischen Anwendung der Wissenschaft geworden, vermochte natiirlich nicht gleichzeitig die grundlegende wissenschaftliche Voraussetzung fiir die juristische Bearbeitung des Stoffes zu liefern, und die Juristen konnten damit eigentlich das Naturrecht völlig entbehren.^^ AaO. S. 49: trachten". Kant, Strcit der Fakultaten, S. 402; vgl. Savigny, aaO. S. 36 f. (iiber ..philosophische Juristen"). Siehe Savigny, aaO. S. 50. Die vermeintliche Philosophie-Kritik Savignys bekommt damit einen anderen Sinn. Savigny verneinte nicht, dafi es erforderlich war, den juristischen Stoff philosophisch zu bearbeiten, umgekehrt machte seine Kritik der philosophischen „Einseitigkeit“ eine Polemik aus gegen die Schulbildungen, die von „Lebensferne“ charakterisiert sind, und die eine derartige Bearbeitung unmöglich machten. Savigny polemisierte gegen einen philosophischen Ståndpunkt, der die philosophische Bearbeitung des rechtlichen Materiales unmöglich machte, und der damit die Philosophie in ein Dekorumverwandelte und die Spezialwissenschaft, aus Mangel an systematischem Element, in ein Handwerk. Es waren natiirlich vor allem die kantianischen Juristen, die die Zielscheibe fiir Savignys Spott ausmachten, aber auch die wesensmetaphysisch begriindete Schulphilosophie wurde von der Kritik der philosophischen Einseitigkeit getroffen. Dieser Ståndpunkt - die Ungeschichtliche Schule —, der „sich bald als Philosophie und Naturrecht, bald als gesunder Menschenverstand ankiindigt" {Die Grundgedanken, S. 14), umfafit jede philosophische Richtung, die die Wissenschaft in ihrer mufite daher das Naturrecht als Subsidiärquelle der positiven Sätze be- „man

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