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126 Rechtsbegriffs, in Kombination mit Kategorien aus dem atheoretischen Maxim der sogenannten Privatautonomie'** entnommen, mufite den Bedarf nach materiell wissenschaftlicher Systematik in den Spezialwissenschaften ersetzen. Die kopernikanische Wende konnte deshalb nicht direkt eine Veränderung imProblem der Recbtswissenschaft, ihren Stoff zu meistern, bedeuten. Die rechtswissenschaftliche Wirksamkeit blieb ein Schlachtfeld, auf dem untereinander nicht vereinigende und fiir die Wissenschaft fremde Zwecke umHegemonie kämpften. Der Mangel an wissenschaftlicher Form machte es weiterhin unmöglich, die äufieren Kriterien der Wissenschaft - Einigkeit und Fortschritt - in der Jurisprudenz zu erfiillen. Die rechtswissenschaftliche Systematik bestand, ebenso wie vor der „kopernikanischen Wende“, aus einer Mischung von Strukturen, nach äufieren Zwekken und Interessen im Stoff konstruiert. Und, als ein Resultat des kantianischen Wissenschaftsbegriffs’, mit, imbesten Fall, einemEinschlag von äufierer - formeller - wissenschaftlicher Form. Dadurch wurden aber unvereinbare Qualitäten verkniipft; der philosophisch notwendige und allgemeine Teil wurde mit „vieles gar Unphilosophisches"'*^ - das, ausgehend vom kantianischen Standpunkt, unwissenschaftlich Getrennte, gemischt. Denn ,,man bearbeitet nicht die einzelnen Quellen fiir sich und verbindet dann erst die Resultate daraus — sondern vermengt diese Quellen - positive Gesetze und Naturrecht - miteinander“.^° Die Aufteilung des grofien Systems der Wissenschaft in philosophisch notwendige - freie - Wissenschaften und historische Wissensarten, verleitete die kantianischen Juristen dazu, der wahren Bearbeitung des juristischen Stoffes nur einen philosophischen Charakter zuzuteilen. Das kantianisch konzipierte Naturrecht machte den wissenschaftlichen Teil der Rechtswissenschaft - die ner-Rez., S. 143 - und machte sich damit gerade des Irrtums schuldig, den er Savigny und der Historische Schule zuschrieb, siehe S. 139 f.; „Aller Unterschied also liegt blofi in der systematischen Richtung, hier aber zum Nachtheil der neuen [Historischen] Schule. Diese nämlich nehme alles positiv, als aus der Erfahrung (a posteriori) gegeben; nur die Form sey systematisch, der wissenschaftliche Sinn aber werde verbannt". ■** Uber die Frage, ob die These der Privatautonomie einigen Finflufi auf die Systemkonzeption Savignys gehabt habe, siehe die Darstellung Kiefners mDer Einflufl Kants auf Theorie und Praxis des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, S. 4: „Fin zivilrechtliches System, entfaltet aus den Grundregeln der Privatautonomie, das ist in der Tat die orginelle Schöpfung Savignys . . Kiefner behauptet sogar, dafi die savigny’sche Systematik ihren Grund in der Philosophie Kants habe, vgl. jedoch mit S. 6, wo der Verfasser diese Behauptung weitgehend modifiziert. Siehe dazu auch Wilhelm, aaO. S. 63 (Hinweise zu Kiefner) und ders. Savignys iiberpositiveSystematik, S. 123 f. Siehe ferner Tegethoff, Wilhelm, Kant und Savigny, passim; Wolfgang Neusiifi verwies in seiner Schrift, Gesunde Vernunft und Natur der Sache, S. 112 f., zu privatautonomen Ziigen in dem systematischen Ansatz Savignys. Vgl. Schröder, J., aaO. S. 163 f. und Kaulbach, Friedrich, Moral und Recht in der Philosophie Kants, S. 52 ff. Savigny,Methodenlehre, S. 47 f. AaO. S. 57 ff. Savigny nennt u.a. Schriften Feuerbachs als Beispiele dieses Ph.änomens. Vgl. Stintzing-Landsberg, aaO., 3. Abt., Halbb. II, S. 112 ff. und Kleinheyer-Schröder, DeutscheJunsten ausfunfJahrhunderten, S. 79 ff.

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