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109 wie die innere Einheit zwischen den Philosophen als auch die fortwahrende Entwicklung der Erkenntnisfiille der Disziplin. In der Kritik der reinen Vernunft wird dieses wissenschaftliche Idealstadium unter anderemvon der Logik repräsentiert, einer Wissenschaft, die nach Kants Auffassung bereits während der Antike ihre streng wissenschaftliche Formgefunden und danach auch beibehalten hatte. Und auf die gleiche Art, wie die Entwicklung der Logik Kants wissenschaftliches Ideal exemplifizierte, so bemiihte sich während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts der Rechtswissenschaftler Friedrich Carl von Savigny ein unerschiitterliches wissenschaftliches Fundament zu konstruieren, um die moderne deutsche Rechtswissenschaft zu dem hinzuleiten, was die klassische römische Rechtswissenschaft als Muster und Mafistab fiir diese Entwicklung anlegte. Savignys Streitschrift Vom Beruf unserer Zeit fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft gmg von dem niedrigen Standard der modernen deutschen Rechtswissenschaft als Ausgangspunkt der Darstellung aus.^ Ein wahres Wissenschaftswesen spiegelte sich, nach Savigny, in zwei äufieren Kriterien ab: ,, . . . die Gemeinschaftlichkeit wissenschaftlicher Uberzeugungen und daneben den steten lebendigen Fortschritt“.'*° Und die deutsche Rechtswissenschaft liberzeugte während dieser Periode weder durch das Aufzeigen von Einigkeit noch durch Zuwachs. Während seiner Studien der Pandekten war Savigny davon liberzeugt, eine Periode in der Rechtsgeschichte gefunden zu haben, die einen qualitativen Höhepunkt repräsentierte; eine Epoche der Entfaltung des Rechts durch rechtswissenschafthche Bearbeitung, ungestört von unfruchtbaren Aporien und inneren Streitigkeiten. Savigny war, librigens nach Kants Muster, der Meinung, daft die einzige Möglichkeit der modernen Rechtswissenschaft, einen höheren Entwicklungsgrad zu erreichen, im Studium einer Idealwissenschaft liege. Demzufolge wendete Savigny im Vom Beruf die römische Rechtswissenschaft sowohl als Vergleichsobjekt als auch als Vorbild fiir die Entwicklung der modernen Rechtswissenschaft an.'’ Obwohl die römische Rechtswissenschaft - ebenso wie die deutsche — aus einem langen und ununterbrochenen Entwicklungsprozefi hervorgegangen war,^ zeigte sie alle äuBeren Merkmale, sich auf demwissenschaftlich sicheren Weg zu entfalten. Charakteristisch fiir die Glanzzeit der römischen Rechtswissenschaft, so Savigny, war eine weitverbreitete Einigkeit unter ihren Ausiibern, die einen fortlaufenden Fortschritt und qualitative Entwicklung des Erkennt- ' Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unserer Zeit fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, siehe insbesondere S. 28, S. 30 und S. 68; vgl. 8. 90. Savigny, Die Grundgedanken der Historischen Schule, S. 22; vgl. Vom Beruf, S. 18 („Gemein- .schaft des wissenschaftlichen Besitzes"), S. 81 („Gemeingut der Juristen"), S. 86 f. („das eigentliche gelehrte Element"), und beziiglich der römischen Rechtswissenschaft, s. S. 96 („fungible Personen"). Siehe u.a. Vom Beruf, S. 16 ff. und S. 72 („Vorbild und Muster"); dazu auch Der Bildungswert des römischen Rechts, passim. *' Siehe Vow Beruf, S. 17 und S. 19 f.

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