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91 tigkeit, beherrscht von äufieren Zwecksetzungen, zwangsläufig hervorbringt.^^ Das passive Einpauken von empirischem Stoff, das der historische Vortrag voraussetzt, stellt ein statisches und geistloses Studium dar, allein dazu geeignet, jeden Zug von Genialität, der in dem einzelnen Studenten verborgen ist, zu töten. Deswegen, meinte Schelling, ist es nicht eigentiimlich, dafi: „wo die Wissenschaft immer mehr eine Sache der Industrie wird, wagen sich gerade die geistlosesten Köpfe an die Geschichte“. Die Tätigkeit der oberen Fakultäten und der Industrieschulen war folglich imGrunde unproduktiv, denn nur die intellektuelle Tätigkeit, die sich auf wissenschaftliche Forderungen griindet, hat, nach sowohl Kant wie Schelling, die Fähigkeit, Fortschritte zu machen: „Eine andere nothwendige Folge ist, dafi ein solcher gänzlich unfähig ist fortzuschreiten; auch damit legt er den Hauptcharakter des Menschen und des wahren Gelehrten insbesondere ab. Er kann nicht fortschreiten, denn wahre Fortschritte sind nicht nach dem Mafistab friiherer Lehren, sondern nur aus sich selbst und aus absoluten Principien zu beurtheilen. Höchstens fafit er auf, was selbst keinen Geist hat, neu angepriesene Mittel, diese oder jene fade Theorie, die eben entsteht und die Neugier reizt, oder einige neue Formeln, gelehrte Novitäten u.s.w. Alles mufi ihm als eine Besonderheit erscheinen, umvon ihmaufgenommen zu werden. Denn nur das Besondere kann gelernt werden, und in der Qualität des Gelerntseyns ist alles nur ein Besonderes. Statt fur die wissenschaftliche Bildung die schöpferische, vorwärtsschreitende Seite der Erkenntnis zu betonen, wurde die akademische Ausbildung dazu reduziert, daB sie sich in Gedächtnislektionen in Form von Handbiichern und Kompendien, in denen ungeordent empirischer Stoff in mehr oder minder pädagogischer Formpräsentiert wurde, erschöpfte. In dieser Darstellungsform kann an sich nur das Besondere wiedergegeben werden, denn nur das Besonderes kann durch passives Einpauken erworben werden - oder wie Schelling es ausdriickt: ,,in der Qualität der Gelerntseyns ist alles nur ein Besonderes“. In diese stoffliche Fiille, auf der unendlichen Oberfläche des Ozeans der Erkenntnis, findet sich der Student versetzt, wenn er in die akademische Welt eintritt. Und es ist die Unfähigkeit, die Fiille des historischen Stoffes zu beherrschen, die schliefilich den Studenten in einen Brotgelehrten verwandelt. Angesichts der stofflichen Einseitigkeit, die den akademischen Unterricht prägt, wie er sowohl in den oberen Fakultäten in der kantianisch konzipierten Universität als auch in den Industrieschulen betrieben wurde, konnte nur die allgemeine Bildung - das Uben der Fähigkeit zu philosophischer Reflexion - einen Schutz fiir den Fortschritt der Wissenschaft darstellen:^”’ “ 64 AaO.S. 243. Die einhcitschaffcnde Kraft der Vernunft biidete vor allem den einzigen Schutz gegen die Faktoren, die den Bestand der Universität bedrohten: die Niitzlichkeitsargumentation, der Ansprucb des Staates auf die Ausbildung von Staatsdienern und die „enzyklopädische Stoffanhäufung“, die aus dieser Einstellung auf äufiere Zwecke und Interessen folgten, siehe König, aaO. S. 17 f.

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