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90 zyklopädisten, teils die reinen Brotgelehrten - haben ihre Ursache in der Auffassung, dafi die akademische Tätigkeit im Niitzlichkeitsargument begriindet werden kann. Denn von diesemStandpunkt aus gesehen, wird die Aufgabe der Universität darauf beschränkt, historischen Stoff an eine neue Generation von Studenten weiterzugeben.^° Der wichtigste Ausdruck fiir die Aufgabe der Universität wiirde solchenfalls der historische Vortrag bilden, denn: „Die nothwendige Folge des Unvermögens, das Ganze seiner Wissenschaft sich aus sich selbst zu construiren und aus innerer, lebendiger Anschauung darzustellen, ist der blofi historische Vortrag derselben Nun ist aber an sich nichts geistloser nicht nur, sondern auch geisttödtender als eine solche Darstellung Wie soil nun derjenige, der seine Wissenschaft selbst nicht aus eigner Construktion besitzt, fähig seyn, sie nicht als ein Gegebenes, sondern als ein zu Erfindendes darzustellen."^' Auch Kant falke den historischen Vortrag als der wissenschaftlichen Darstellungsform prinzipiell entgegengesetzt auf. In Der Streit der Fakultäten stellte Kant fest, dafi die untere Fakultät, deren Aufgabe es war, das Interesse der Wissenschaft zu bewachen, die Befugnis hatte ,,die Vernunftgriinde der Gesetzgebung aus dem historischen Vortrage herauszusuchen und iiberdem . . . zu wiirdigen".^^ Der historische Vortrag stellte damit in der Verlängerung einen Ausdruck fiir den willkiirlichen Ausgangspunkt der oberen Fakultäten dar. Sowohl Kant wie Schelling fasten mithin den historischen Vortrag als eine Objektivierung in der akademischen Methodik auf, die eine intellektuelle TäAaO. S. 232 f.: „Ich weifi recht gut, dal? sehr viele und vornehmlich alle die, welche die Wissenschaft iiberhaupt nur als Niitzlichkeit begreifen, die Universitäten als blol?e Anstalten zur Uberlieferung des Wissens, als einen Verein betrachten, der blol? die Absicht hatte, dal? jeder in der Jugend lernen könnte, was bis zu seiner Zeit in den Wissenschaften geleistet worden ist, so dal? es auch als eine Zufälligkeit betrachtet werden mufite, wenn die Lehrer aufier dem, dal? sie das Vorhandene mittheilen, auch noch die Wissenschaft durch eigne Erfindungen bereichern; - allein selbst angenommen, dal? mit den Akademien zunächst nicht mehr als dieses beabsichtigt wiirde und werden sollte, so fordert man doch ohne Zweifel zugleich, dal? die Uberlieferung mit Geist geschehe, widrigenfalls begreift man nicht, wofiir nur iiberhaupt der lebendige Vortrag auf Akademien nothwendig wäre; man könnte alsdann den Lehrling unmittelbar nur an die ausdriicklich fiir ihn geschriebenen, gemeinfal?lichen Handbiicher oder an die dicken Compilationen in alien Pächern verweisen. - Aber iiberhaupt, wer in seiner Wissenschaft nur wie in einem fremden Eigenthume lebt, wer sie nicht persönlich besitzt, sich ein sicheres und lebendiges Organ fiir sie erworben hat, sie nicht in jedem Augenblick neu an sich zu erzeugen anfangen könnte, ist ein Unwiirdiger . . Vgl. Schreiner, Klaus, Disziplinierte Wissenschuftlichkeit, S. 32 ff. (Die Universität, aufgefal?t als eine ..Institution fiir Weitergabe des bekannten Wissens", wird notwendigerweise von einer dogmatischen Erkenntnisauffassung geprägt), sowie Historischcs Wörterbuch der Philosophie, Bd. I [..Bildung"], Sp. 921-928 (Entwicklung des Bildungsbegriffes von demdogmatistischen ..abbilden" zu demwissenschaftlichen Bildungsgedanken). Siehe auch Schelsky, aaO. S. 25. Schelling, aaO. S. 234. Kant, aaO. S. 343. Schelling, aaO. S. 240: ..obgleich es andererseits auch der Uberdrul? an ihrer langweihgen, breiten und von keinem Geist belebten Griindlichkeit war, was jenem den meisten Eingang verschaffte".

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