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161 weiteres eine selbständigere Stellung im Verhältnis zum ubrigen Pommern einräumte. Dieses Nachgeben war unmittelbar politisch bedingt. In der damaligen Situation konnte sich die schwedische Krone nicht erlauben, das Stralsunder Begehren einfach zuriickzuweisen; die Lage war zu unsicher. Falls Stralsund andererseits mit Pommern vereinigt werden wiirde, wiirden die Tafelguter verlorengehen, die der Stadt und einzelnen Einwohnern der Stadt verpfändet worden waren. Als Beispiel der Folgen dieser selbständigen Stellung Stralsunds sei erwähnt, dal3 es der Stadt gelang, eine eigene Gesandtschaft bei den Friedensverhandlungen in Osnabriick zugebilligt zu bekommen.^^^ Dieses allgemeine Selbständigkeitsrecht im Verhältnis zumubrigen Pommern nutzte Stralsund auch in der Rechtsprechung aus. Einen AnlaB bot hierzu die Einrichtung des Greifswalder Hofgerichts durch die Schweden im Jahre 1642. Im Herbst jenen Jahres entstand ein langwieriger Streit zwischen Johan Oxenstierna und der Stadt um die Appellation gegen Stadtgerichtsurteile an das Hofgericht. Der Streit brach aus, weil ein von Biirgermeister und Rat verkiindetes Urteil vollstreckt wurde, obwohl die Partei, gegen die sich die Vollstreckung richtete, ein Ernst Kohlwagen, an das Hofgericht in Greifswald appelliert hatte.^^^ Johan Oxenstierna wurde während seines Aufenthaltes in Pommern (von 1641 bis 1643) durch eine Supplik auf den Fall aufmerksam gemacht. Er verlangte von der Stadt eine Rechtfertigung und erlegte ihr auf, das beschlagnahmte Eigentum gegen Biirgschaftsleitung zuruckzugeben. Nach Oxenstiernas Auffassung hatte die Stadt gegen den Erbvertrag von 1615 verstoCen. Das reorganisierte Hofgericht hielt er fiir „competirend Ober-Jurisdiction iiber alle Land- und Stadtgerichte in Vorpommerischen Herzog- und Furstenthiimber, keines ausgenommen“.^^® Oxenstierna bestritt, da6 die Allianz zwischen der Stadt und der schwedischen Krone auch „dergleichen gerichtlichen Sachen“ regele. Durch die Allianz habe auch der Erbvertrag seine Giiltigkeit nicht verloren. Das Hofgericht sei ein „Asylumoppressorum^'' fiir die Partei, die einen Rechtsstreit vor den Stralsunder Stadtgerichten verloren habe. Die Resolution der schwedischen Regierung vom Oktober 1641 habe nicht zu einer Veränderung der Appellationsverhältnisse gefiihrt. Sie diirfe nicht so ausgelegt werden, daB die Stadt durch die Exemtion von der Jurisdiktion des damals in der Stadt befindlichen Gouverneurs und seiner Räte befreit worden sei. Auch im ubrigen ergebe die Resolution keine Anhaltspunkte fiir die Malmström: Bidrag 1630—1653 S. 67. Vgl. unten Kap. 6.1.1. S. 249 f. Zur Darstellung des Falles Ernst Kohlwagen und der Verhandlungen mit Johan Oxenstierna: SA Stralsund: Biirgermeister und Rat P 812 und 813. Johan Oxenstierna an Biirgermeister und Rat, datiert Stettin, den 29. Dezember 1642; SA Stralsund: Biirgcrmeister und Rat P 812 und 813. 11 —Modeer 334 335 336

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