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in den letzten zehn Jahren wieder dieTendenz zunehme, diese Lehrbücher in scheinbar mündlichemVortrag zu diktieren.29 Die seit 1823erscheinende doctrina pandectarum von Christian Friedrich Mühlenbruch umging das Problem durch ihre nicht mehr zeittypische lateinische Fassung.Mühlenbruch betonte in einer Selbstanzeige, dass dies nicht bedeute, dass auch sein Lehrvortrag auf Latein erfolge30– womit für Studenten der Eigenwert der erfolgreichenVorlesungen Mühlenbruchs in deutscher Sprache nicht gefährdet war.31Thibaut bevorzugte eine andere Lösung. Sein System des Pandektenrechts von 1803 sollte als Lehrbuch „demAnfänger kurz und bündig dasWesentliche“ erläutern.32 In seinenVorlesungen setzte er die Inhalte seines Lehrbuchs voraus und vertiefte mündlich nur einzelne Abschnitte. Auch dieses Konzept geriet in die Krise, als 1831 seine nachgeschriebenen mündlichen Zusätze von einem Heilbronner Buchhändler publiziert wurden.33 Als Reaktion veröffentlichte Thibaut eine Erklärung, in der er darauf hinwies, dass sich in dieser Schrift „auch nicht ein einzigesWort von demjenigen findet, was ich durch meinen freien Vortrag in wenigstens 250 Stunden vollständig zu entwickeln suchte“. Daher sei die Lektüre „für meine künftigen Zuhörer ohne Werth“34 – der Vorlesungsbesuch also weiter unentbehrlich. Thibauts Konzept setzte sich jedoch nicht durch.Vor allem Savigny wandte sich scharf gegen Pandektenvorlesungen als „dürftige Darstellungenwillkürlich herausgehobener Lehren“, da es bei dieser Lehrmethode „selbst dem fleißigsten Schüler unmöglich“ sei, „durch die Universität etwas Befriedigendes zu Lernen“.35 Er forderte „innereVerbindung“ der Lehrgegenstände, damit „die Zuhörer etwas Zusammenre cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 90 29 Gustav Hugo, Berichtigung der Zusätze zu dem Pandektencompendium des GR Thibaut, Civilistisches Magazin 6, 1837, S. 266. 30 Selbstanzeige der doctrina durch Mühlenbruch in (Schuncks bzw. Erlanger) Jahrbücher der deutschen juristischen LiteraturVIII, 1828, S. 25 f. 31 Vgl. Mejer,Art. Mühlenbruch, in:ADB22, 1886, s. 464 f. 32 Friedrich Justus Thibaut, System des Pandektenrechts, 8.Aufl. Heidelberg 1838. 33 J.R. Braun, Erörterungen über die bestrittensten Materien des Römischen Rechts in Zusätzen zu Thibaut’s Pandecten-System, 2Theile, Stuttgart 1831 (zur 7.Aufl.) und H. Froben, Erörterungen einzelner Lehren des Römischen Rechts. Ein Commentar zu der achten Auflage des Pandekten-Rechts von F.A.J.Thibaut, 2Abteilungen, Stuttgart 1836. 34 Abgedruckt in Rainer Polley, Anton Friedrich Justus Thibaut (AD1772-1840) in seinen Selbstzeugnissen und Briefen, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1982, S. 581. 35 Savigny, Juristischer Unterricht (Fn. 20), S. 318.

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