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stammten. Die erlangte Überzeugung, das geltende russische Recht sei durch seine lange geschichtliche Entwicklung gerechtfertigt, stand der Übernahme „fremder“ Rechtseinrichtungen ebenso entgegen wie einer Aufnahme der damit verbundenen wissenschaftlichen Elemente, also insbesondere von Begrifflichkeit und Methoden.257 Für Savigny bestand die Grundlage für eine Lösung dieses Problems, wie wir gesehen haben, in seinem spezifischen Rechtsglauben: Er ermöglichte es ihm, das Recht als universales Kulturphänomen zu betrachten258 und dieVermittlung von Rechtswissenschaft als etwas Gebotenes. Die Anschauung von einer allgemeinen Verbindlichkeit wissenschaftlicher Methoden, die wir durchaus als Vorstellung von der Rechtswissenschaft als juristischer Doktrin beschreiben können, hat sich mittelfristig als erstrangiger begünstigender Faktor für die Entwicklung des russischen Privatrechts ausgewirkt. Erst diese Auffassung war es, die die folgenreiche Rezeption der Lehren Savignys, Jherings und anderer maßgeblicher Vertreter der deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts aus Sicht russischer Juristen erlaubte und den Anschluß der Rechtswissenschaft des Zarenreiches und seiner Nachfolgestaaten an die west- und mitteleuropäische Rechtswissenschaft ermöglichte. Die Lehre vom Universalismus des Rechts selbst fand allerdings erst Jahrzehnte später in der russischen Rechtswissenschaft Verbreitung, nämlich, ausgehend von rationalen Erwägungen, unter dem überragenden Einfluß Rudolf von Jherings.259 Aber das ist in der Geschichte des Rechts in Rußland ein anderes Kapitel. re cht swi s s e n scha f t al s j ur i st i sch e dok t r i n 82 257 S. oben S. 25. 258 Savigny, System, Bd. 1(o. Fn. 151), S. 21: „Was in dem einzelnenVolk wirkt, ist nur der allgemeine [!] Menschengeist, der sich in ihm auf individuelle Weise offenbart.“Vgl. bereits oben S. 62. Zur Sache vgl.Avenarius, Rimskoe pravo (o. Fn. 1), S. 58 f. bzw. dens., Rezeption (o. Fn. 1), S. 42 sowie insbesondere Behrends, Geschichte (o. Fn. 115), S. 268 unds. 271-274; ders., Rudolph von Jhering, in: F. Loos (Hrsg.), Rechtswissenschaft in Göttingen (1987), S. 229-269 (235, Fn. 14).Vgl. R. Meyer, Bona fides und lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition (1994), S. 33 f. 259 Vgl.Avenarius, Rimskoe pravo (o. Fn. 1), S. 60-64 (62-64) bzw. dens., Rezeption (o. Fn. 1), S. 43-47 (46 f.).

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