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fenbarung berufen und Gottesrecht gegen menschliches Recht ausspielen“ konnte, sondern auf die Mittel wissenschaftlicher Begründung verwiesen war.220 Daß Savigny das Recht, das den Gegenstand der wissenschaftlichen Bearbeitung bildet, nicht etwa auf ein von Gott gesetztes Recht oder Naturrecht zurückführt,221 ist bekannt, die Klärung an dieser Stelle aber geboten. Die geschilderteVorstellung einer vorgeschichtlichen göttlichen Offenbarung des Rechts ist vom Naturrecht vielmehr deutlich zu unterscheiden. Es geht nicht um die Begründung des geltenden Rechts im einzelnen oder dessen Herleitung aus einer womöglich als göttlich aufgefaßten ratio. Es handelt sich vielmehr um eine theoretische Anschauung vom Ursprung des Rechts, die sich auf die Ansicht von dessen notwendiger historischer Entwicklung sowie dessen Universalität auswirkt. Daher sind praktische Konsequenzen dieser Vorstellung auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Die praktische Entwicklung und Ausdifferenzierung des Rechts erfolgt im Wege der geschichtlichen Rechtswissenschaft und hat mit Naturrecht nichts unmittelbar zu tun. Dies erweist sich an der bekannten doppelten Abgrenzung von Savignys Standpunkt einerseits gegenüber einem Apriorismus, der ein „über allen positiven Rechten schwebendes Normalrecht“ voraussetze und dem Recht damit „alles Leben überhaupt entziehe“,222 andererseits gegenüber einem Relativismus, der das jeweils geltende Recht als zufällig begreift.223 Demgegenüber bekennt sich Savigny zu einem „höheren Beruf“, einer „allgemeinen Aufgabe des Rechts“, die er auf das Christentum und die von diesem vorgegebenen sittlichenAnforderungen an die Lebensverhältnisse der Menschen zurückführt.224 In der Feststellung, das Christentum habe „in der Tat dieWelt umgewandelt, so daß alle unsre Gedanken, so fremd, ja feindlich sie demselben scheimart i n ave nar i u s 73 220 H. Hattenhauer, Bellum inter leges et consuetudines, in: St. Saar/A. Roth/Ch. Hattenhauer (Hrsg.),Recht als Erbe und Aufgabe. Festschrift für Heinz Holzhauer (2005), S. 112-128 (124). 221 Strauch, Recht (o. Fn. 159), S. 124; vgl. bereits oben S. 72 f. 222 Savigny, System, Bd. 1(o. Fn. 151),S. 52; vgl.Avenarius, Savignys Lehre (o. Fn.115), S. 42. 223 Savigny, System, Bd. 1 (o. Fn. 151), S. 52. 224 Savigny, System, Bd. 1 (o. Fn. 151), S. 53 f. mit Behrends, Geschichte (o. Fn. 115), S. 271, der auch an dieser Stelle darauf hinweist, daß dieseVorstellung sich nicht auf den Bereich derVerbreitung des historischen Christentums beschränkt.

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