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neswegs. Was sich im Anschluß an die göttliche Offenbarung entwickelt hat, ist menschliches Recht.210 So kann etwa von einer „christlichen Pandektistik“, wie ErikWolf zutreffend festgestellt hat, nicht die Rede sein.211 Die Aufgabe von Savignys rechtstheoretischem Konzept, daß das Recht von Gott ausgegangen sei, besteht vielmehr u.a. darin, die Existenz von Recht bei denVölkern bereits zu dem Zeitpunkt zu erklären, an dem diese in die Geschichte eintreten, und die Bedeutung der Entwicklung und Ausdifferenzierung des Rechts für alleVölker zu begründen. Diese letztgenannte Aufgabe fällt als spezifischer Beruf den Juristen zu. Für Savigny sind die Menschen nämlich gefordert, „das lebendige Rechtsprinzip in seinen gültigen Erscheinungen zu erfassen“. Dies bedeutet gleichzeitig, daß Veraltetes überwunden werden muß, denn überzeitlich gültig sind insoweit allein die universalen Elemente des Rechts. Mit der Überwindung überlebter Besonderheiten in den einzelnen Rechtsordnungen geht daher eine allgemeine Tendenz zur Konzentration auf das universell Verbindliche einher.212 So kann Savigny alle wichtigeren Entwicklungsschritte des römischen Rechts in der Neuzeit als universell ansehen.213 Wenn nun die geeigneten Instrumente zur Entwicklung und Ausdifferenzierung des Rechts auch anderenVölkern zugute kommen sollen, dann geht diese Auffassung auf ein Selbstverständnis zurück, das einst auch die Übernahme fremden Rechts durch das eigeneVolk bejahte: mart i n ave nar i u s 71 211 E.Wolf, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte, 4.Aufl. (1963), S. 498.Auf die Autonomie des Rechts gegenüber der Religion weist für dieses Konzept richtigerweise auch Rückert, Religiöses und Unreligiöses bei Savigny (o. Fn. 127), S. 66-68, hin. 212 Savigny, System, Bd. 1 (o. Fn. 151), S. 56. 213 Savigny, System, Bd. 1 (o. Fn. 151), S. 5; Behrends, Geschichte (o. Fn. 115), S. 272. 214 Savigny, System, Bd. 7 (o. Fn. 153), S.VI, Hervorhebung von mir (M.A.). „Wenn von mir und Anderen das Römische Recht auch in Deutschland hoch gestellt, wenn es fortwährend für einen würdigen, ja unentbehrlichen Gegenstand wissenschaftlicherThätigkeit erachtet worden ist, so ist dieses geschehen, nicht um das Fremde zu erheben auf Kosten der vaterländischen Ehre, nicht um die einheimischen Gedanken und Sitten des Rechts zu verdrängen durch die fremden, sondern damit auch auf diesem Felde Das, was Gott anderen Völkern und Zeiten an geistiger Entwicklung beschieden hat, unsermVolke nicht fremd bleibe, daß es ihm vielmehr zur Erhöhung der eigenen Kraft und zur Erweiterung seines geistigen Besitzes zubereitet und dargeboten werde.“214

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