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Das Verhältnis zwischen der geschichtlichen Rechtswissenschaft und der Erweckungsbewegung, deren Zusammenhang Savigny, ausgehend von der jeweiligen antiaufklärerischenTendenz, schon in „Vom Beruf unsrer Zeit“ angedeutet hat,202 bedarf an dieser Stelle noch einer differenzierenden Klarstellung. Die briefliche Äußerung gegenüber Jacob Grimm, es sei auch im wissenschaftlichen Zusammenhang „am Ende der einfältige Kindersinn, dem allein die Wahrheit offenbart wird“, zeigt in aller Deutlichkeit, daß sich dieVorstellung vom göttlichen Ursprung des Rechts nicht unmittelbar auf den rechtswissenschaftlichen Verstehensprozeß bezieht. Denn zu klar erweist sich allein schon der Widerspruch zwischen derVorstellung, daß auch demWissenschaftler Verstehen zuteil werde, indem sich dem „einfältigen Kindersinn“ Wahrheit offenbare, und jener spezifisch methodisch konzipierten juristischen Hermeneutik, für die die berühmtenAuslegungscanones aus Savignys Methodenlehre stehen.203Aus der Ausdrucksweise darf also sicherlich nicht geschlossen werden, daß Offenbarung und Anschauung einen konkreten Ort im wissenschaftlichenVerstehensprozeß hätten. Mit dem Woirt vom „Kindersinn“ verweist Savigny vielmehr auf Matthäus 18,3-4204 und bezieht sich damit auf die rechte Demut vor dem göttlichen Willen,205 im hier betrachteten Zusammenhang also vor der als Berufung aufgefaßten wissenschaftlichen Aufgabe. Diese mart i n ave nar i u s 69 und den Brief an J. N. Ringseis vom9.7.1830, bei Pfülf, Savigny und die Dinge in Bayern (o. Fn. 132), S. 198. 202 Vgl. Savigny,Vom Beruf unsrer Zeit (o. Fn. 61), S. 5 über den „unerleuchteten Bildungstrieb“ der Aufklärung: „Was er in Religion und Staatsverfassung gewirkt hat, ist bekannt, und es ist unverkennbar, wie er hier durch eine natürliche Gegenwirkung aller Orten einer neuen, lebendigeren Liebe die Stäte bereiten mußte.“ Vgl.W. Lütgert, Die Religion des deutschen Idealismus (o. Fn. 180), S. 194. 203 Vgl. nur Savigny, System, Bd.1(o. Fn. 151), S. 212 ff.; für dieVorlesungsmaterialien vgl. F. C. v. Savigny,Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hrsg. von A. Mazzacane, 2.Aufl. (2004), S. 83 f., 217 und 251. 204 Dies erweist sich durch die parallele Bezugnahme in Savignys langem Schreiben an seineTochter aus dem Jahre 1821, bei Raub-Domnick, Friedrich Carl von Savigny (o. Fn. 130),S. 161-171(166 f.): „In einer sehr bekannten Stelle stellt er (scil.: Christus) denKindersinnals den einzig rechten Sinn des Menschen dar, als den Sinn der uns allein zu Gott führen könne. Laß uns das näher ins Auge fassen.“ (wird ausgeführt). 205 Raub-Domnick, Friedrich Carl von Savigny (o. Fn. 130), S. 131 f..;vgl. Savignys bb) Der göttliche Ursprung des Rechts und die wissenschaftliche Arbeit

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